In „House of Guinness“ geht es um weit mehr als nur um Bier. Ein halb volles Glas Guinness steht in dieser Serie für nicht weniger als die irische Gesellschaft Mitte des 19. Jahrhunderts. „Diese beiden halb eingeschenkten Gläser Guinness repräsentieren den Zustand Irlands in diesem Augenblick. Aufgeregt über die Aussicht auf Unabhängigkeit. Aber noch ein wenig Zeit brauchend, um nachzudenken.“ So sieht es der neue Firmenchef Edward Guinness in der Serie.
Das Erbe, das er und seine drei Geschwister von deren verstorbenen Vater antreten, das Erbe des House Guinness, ist alles andere als süffig. Die Brauerei steht mittendrin im revolutionären Kreuzfeuer. Die Nähe zu den Konservativen und Großbritannien schmeckt vielen, vor allem den für Freiheit und Unabhängigkeit kämpfenden Feniern, nicht. So ist das Bier längst ein Politikum geworden.
Die Serie macht Geschichte erlebbar und spürbar
Nicht nur Fässer und Straßen brennen, sondern auch in den aristokratischen Gemächern der Brauerei-Familie schäumt es. Die schwierige Aufteilung des Erbes, die Alkoholsucht des einen Bruders, die Homosexualität des anderen und die Ambitionen der Schwester – all das droht die Marke Guinness zu beschädigen. Dazu plant das selbsternannte neue Familienoberhaupt Edward die Expansion in die USA. Auch dort sind die emigrierten Iren politisch aufsässig.
Die Serie schafft es, die historisch wahre und durchaus komplizierte Situation im Irland des 19. Jahrhunderts in eindrucksvolle Bilder zu übertragen. Und das ist ja eine der Stärken des britischen Filme- und Serienmachers Steven Knight: Er macht Geschichte erlebbar, spürbar. Wie in „Peaky Blinders“ oder „All The Light We Cannot See“ gelingt ihm das auch hier. Der Dreck in den Slums und der Schweiß der Arbeiter, man meint ihn zu riechen. Knights Vorliebe für drastische, düstere Bilder und handgreifliche Action kommt dabei auch wieder zum Vorschein.
Dabei ist so manches plakativ und ein wenig pathetisch – aber auch das kennt man von Steven Knight. Im Großen und Ganzen funktioniert die Geschichte mit ihren zwei großen Konflikten – dem innerhalb der Familie und dem innerhalb der irischen Gesellschaft – aber erstaunlich gut.
Die Serie bliebt nah an ihren Figuren
Das liegt daran, weil die Serie nah an ihren Figuren bleibt, die, jede auf ihre Weise, einen anderen Aspekt verkörpern: Bei Edward ist es das Geschäft, bei seinen Brüdern Ansehen und Scheitern, dazu wird auch aus Sicht der Freiheitskämpferinnen und Arbeiter und nicht nur durch den aristokratischen Bier-Blick erzählt.
Die Serie zeigt, wie sich Arbeiter mehr Rechte erstreiten, wie Geschäft und Politik verbandelt sind, wie soziale Ungleichheit soziale Spannungen hervorbringt.
Guinness ist bis heute eine der größten Brauereien der Welt und eine irische Ikone, die Netflix-Serie sicher auch Publicity. Das nächste Guinness im Irish Pub trinkt man nach der Serie aber mit durchaus anderen Augen. Denn: Bier ist politisch!