Vielleicht nur ein Detail. Aber eines, an dem das Verhältnis von Politik und Autoindustrie in Deutschland erkennbar wird: Nicht der Bundeskanzler, der eingeladen hatte, spricht als Erstes nach dem Autogipfel im Kanzleramt, sondern sein Gast. Hildegard Müller, die Chefin des einflussreichen Verbandes der Deutschen Automobilindustrie (VDA).
VDA zeigt sich zufrieden
Müller lobt, die Politik habe das Problem erkannt. Und meint Stellenabbau, die Absatzflaute, das auf EU-Ebene beschlossene Verbrenner-Aus 2035. Sie sagt: „Dass die Bundesregierung Flexibilisierungsmöglichkeiten wie zum Beispiel im Hinblick auf Plug-in-Hybride und Range-Extender unterstützt, ist ein positives Signal.“
Dabei hat „die Bundesregierung“ zu diesem Zeitpunkt noch gar nichts gesagt. Sie kommt später zu Wort. In Person von Vize-Kanzler Lars Klingbeil (SPD). Deutlich geworden sei, „dass niemand, wirklich niemand“ den Weg infragestellt, der in Richtung Elektromobilität geht, sagt der SPD-Vorsitzende. Alle wollten die Klimaziele erreichen. „Wir gehen diesen Weg sehr konsequent, aber wir wollen nicht mit dem Kopf durch die Wand.“
Klingbeil: „Schnelle Entscheidungen treffen“
Was heißt das? So richtig schlau wird man nicht aus Bundeskanzler und Vize-Kanzler an diesem Nachmittag. Noch mal nachgefragt: Macht Deutschland beim Verbrenner-Aus 2035 noch mit? In der Nacht, beim Koalitionsausschuss, hatten Union und SPD noch keine gemeinsame Linie gefunden. Kanzler Friedrich Merz (CDU) antwortet: „2035 darf es keinen harten Schnitt geben.“ Er werde alles dafür tun und sich bei der EU für mehr Flexibilität einsetzen.
Und die SPD, deren Umweltminister sich zuletzt vehement dagegengestellt hatte, das Verbrenner-Aus zu kippen? „Wir werden innerhalb der Bundesregierung schnelle Entscheidungen treffen müssen“, sagt Klingbeil. Eine diskutierte Option ist, Plug-in-Hybride und E-Autos mit einem Range-Extender, der die Batterie mit einem kleinen Verbrennungsmotor während der Fahrt lädt, auch über 2035 hinaus zuzulassen.
Was sowohl Merz als auch Klingbeil als „Flexibilisierung“ bezeichnen, wäre aber die Aufkündigung der EU-Regelung. Die sieht vor, dass ab 2035 unter anderem neu zugelassene PKW kein CO2 mehr ausstoßen dürfen. Plug-in-Hybride und Extender tun das aber. Und das auch, wenn sie, wie von der SPD gefordert, mit klimaneutralen Kraftstoffen betankt würden.
Elektroantriebe sind die „Hauptstraße“
Merz fordert die Autoindustrie auf, „in allen denkbaren Antriebstechnologien weiterzuforschen“. Dies schaffe nicht nur Klimaneutralität, sondern auch die notwendige „Wettbewerbsfähigkeit auf der Welt“. Und den Arbeitsplatzerhalt in Deutschland. Elektroantriebe seien die „Hauptstraße, auf der gefahren wird“, sagt Merz. Aber ist die noch befahrbar? Sich nicht ganz festzulegen auf eine Antriebsform, sei der Fehler gewesen, der der Autoindustrie jetzt Probleme bereitet, sagen Beobachter der Branche.
E-Autos brauchen Batteriezellen, die Deutschland nicht hat
Und zur Wahrheit gehört auch, dass Deutschlands Automobilindustrie immer noch am besten an Verbrennerautos verdient, viele Zulieferbetriebe hängen daran. Bei E-Autos machen die Batteriezellen bis zu 40 Prozent der Wertschöpfung aus. Und der Großteil kommt aus Fernost, weil Batteriezellfertigung in Deutschland nur zögerlich vorangetrieben wurde. Die Branche ist für Deutschland von großer Bedeutung: 770.000 Beschäftigte, 540 Milliarden Euro Jahresumsatz.
Doch neben dem Anpassungsproblem an die Elektromobilität setzen auch die wachsende Konkurrenz aus China und die US-Zölle die Branche unter Druck. Viele Firmen melden Gewinneinbrüche, streichen Stellen. Rund 50.000 waren es im vergangenen Jahr, die Zulieferer miteingerechnet.
IG-Metall: „Die Beschäftigten sind verunsichert“
Die IG Metall-Vorsitzende Christiane Benner, beschreibt die Lage als „dramatisch“. Sie sagt nach dem Gipfel, an dem sie teilgenommen hat: „Unsere Beschäftigten sind verunsichert, wir brauchen Klarheit.“
Mehr Unterstützung für Elektromobilität sei nötig und eine Flexibilisierung der CO2-Regeln mit Bick auf Hybridantriebe. Wichtig sei der Aufbau einer europäischen Batteriefertigung, die Arbeitsplätze bringe. Aber auch sie fordert wie VDA-Präsidentin Müller vor allem eines: schnelle Entscheidungen der Politik.