Wer Vermögen oder Sachwerte erbt oder geschenkt bekommt, zahlt in Deutschland Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer, abhängig von der Höhe der Summe und dem Verwandtschaftsgrad, wobei es bei Betriebsvermögen Verschonungsregeln gibt. Die genaue Höhe bestimmt der Bund, die Einnahmen fließen den Ländern zu.
Aus dieser Konstellation ergibt sich immer wieder der Vorwurf der Doppelbesteuerung: Die Erbschaftsteuer sei eine zweite Einkommensteuer auf bereits versteuerte Erträge.
Staaten handhaben Erbschaftsteuer sehr verschieden
Was in Deutschland als gegeben hingenommen wird, ist international keinesfalls die Regel, wie eine Analyse des Forschungsinstitutes ZEW zeigt [externer Link]. In 14 Staaten gibt es überhaupt keine Erbschaftsteuer, dazu gehören Österreich, Indien oder Kanada. In anderen Ländern bleiben Ehegatten oder Kinder steuerfrei, beispielsweise in der Schweiz, in Dänemark oder in Frankreich.
Über gerechtes Erben und Schenken wird seit Bestehen der Bundesrepublik gestritten – teils hochemotional. Entsprechend widersprüchlich ist auch das Bild in Meinungsumfragen: Insa meldet mehrheitlich Ablehnung, FORSA dagegen Zustimmung zu höheren Erbschaftsteuern. Erst diese Woche debattierte der Bundestag auf Antrag von Grünen und Linken [externer Link] wieder darüber. Ausnahmen für „Super-Extrem-Überreiche“ (für die Grünen-Politikerin Katharina Beck sind das Betriebsvermögen über 26 Millionen Euro) sollen gestrichen werden. Die Linke fordert sogar die völlige Streichung.
Aber selbst bei dieser Debatte zeigt sich: Sogar innerhalb der politischen Lager herrscht oft Uneinigkeit.
Union und SPD sehr verschiedener Ansicht
Beispiel Union: Während Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) schon das Nachdenken über höhere Erbschaftsteuern schädlich findet, will der CDU-Arbeitnehmerflügel Ausnahmen streichen und liegt damit auf SPD-Linie. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) will erreichen, dass der Freistaat die Steuersätze selbst festlegen kann, Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) ist jedoch strikt dagegen. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann sinniert gar über ein ganz neues Unternehmenssteuerrecht.
Klar ist bislang: Der Koalitionspartner SPD fordert, dass die Abgaben für „Reiche“ steigen müssten, wenn tatsächlich wie geplant Sozialleistungen gekürzt werden. Ob, wann und wie das tatsächlich zu höheren Staatseinnahmen führt und dem Unternehmensstandort nicht schadet, entscheidet sich jedoch in den Details. Und die sind komplex.
Suche nach gemeinsamem Nenner
Auf dem Weg zu einer nachhaltigen Lösung müssen die Koalitionäre mindestens drei Grundsatzfragen einvernehmlich beantworten können.
1. Was ist „sozial gerecht“ und ab welchem Betrag?
Deutschland hat die größte Vermögensungleichheit in Europa, während die Einkommen im europaweiten Vergleich am wenigsten divergieren. Dafür sorgen hohe Steuern, Abgaben und Sozialtransfers. Wer zahlt ab welcher Erbmasse wie viel? Bislang bleibt die Politik vage, spricht von „außerordentlich großen Erbschaften“ und „nicht Omas kleinem Häuschen“.
2. Wo beginnt Gestaltungsmissbrauch?
Ein Beispiel: Clever Planende können ihren Erben alle zehn Jahre wiederholend steuerfreie Summen schenken. Sollen solche „Gestaltungsmöglichkeiten“ abgeschafft werden? Die SPD fordert jedenfalls eine lebenslange Freibetragsgrenze.
3. Auswirkungen auf das Steueraufkommen
Durch höhere Erbschaftsteuer könnte Erwerbsarbeit künftig steuerlich entlastet werden. Doch wenn der Staat höhere Einnahmen wünscht, muss genau gerechnet werden. Die Vereinigung der bayerischen Wirtschaft vbw [externer Link] spricht von „absurden Annahmen“. „Stilllegungen, Unternehmensverkäufe oder Standortverlagerungen ins Ausland“ seien die Folge.
Was Ökonomen raten
Aus theoretischer Sicht wäre sowohl ihre vollständige Abschaffung (wie die AfD sie mit Blick auf die aktuelle Wirtschaftskrise fordert) als auch eine Erbschaftsteuer von 100 Prozent nachvollziehbar, so das Institut der deutschen Wirtschaft. Um Zielkonflikte und Komplexität zu reduzieren, empfiehlt das Münchner ifo-Institut [externe Links] einen allgemeinen, niedrigen Steuersatz für alle Vermögensarten und im Gegenzug bestehende Vergünstigungen und Ausnahmen abzuschaffen. Diese „Flat-tax“-Idee findet sich bislang aber nur teilweise in den Parteiprogrammen wieder.
Wie geht es jetzt weiter?
Zunächst ist das Bundesverfassungsgericht wie schon 2006 und 2014 gefragt. Es wird in den kommenden Monaten entscheiden, ob Begünstigungen bei der Betriebsübergabe gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßen. Insofern hat die aktuelle politische Debatte eher vorbereitenden Charakter, um danach schneller Ergebnisse zu erzielen. Ob der Politik kurzfristig ein „großer Wurf“ gelingt, darf bezweifelt werden.