Ein geselliger akademischer Abend an der US-Elite-Universität Yale. Professoren und Studenten sitzen auf luxuriösen Sofas, man kennt sich, man ist vertraut. Und nachdem eine ganze Menge Alkohol geflossen ist, wird die Diskussion etwas hitziger. „Eure ganze Generation hat Angst davor, etwas Falsches zu sagen. Seit wann ist jemanden zu beleidigen eine Todsünde?“, heißt es da auf der einen und „Ich würde sagen, seit deine Generation angefangen hat, Pauschalurteile über unsere Generation zu fällen“ auf der anderen Seite des Generationen-Gaps.
Beim Satz „Sich für seine eigenen Gedanken zu schämen, warum auch immer, ist absoluter Blödsinn!“ verdreht Alma Olsson alias Julia Roberts die Augen. Diskurse wie der, dem sie gerade beiwohnte, gehören zu ihrem Alltag. Alma ist Professorin für Philosophie, Ihre Festanstellung in Yale steht unmittelbar bevor. Bester Freund und einziger Konkurrent: Hank, der gern mit seinen Studentinnen flirtet. Vor allem mit der begabten Maggie. Und das hat eines Abends Folgen.
Ein #MeToo-Film aus dem College-Umfeld
Hollywood-Ikone Julia Roberts hatte sich zuletzt rar gemacht. Jetzt ist sie zurück – mit „After The Hunt“. Ein provokantes Drama über einen #MeToo-Skandal an einer US-Elite-Uni. Es geht um Privilegien, um Gleichberechtigung und edle Werte. Und darum, wie schnell das alles in sich zusammenstürzen kann. Beim Filmfestival in Venedig sagt Julia Roberts: „Dieser Film bezieht keine Stellung. Ich sehe einfach diese ganzen Zerstörungen. Was ich aber wirklich mag, ist die Sicht von Regisseur Luca Guadagnino, der in seinem Film die Liebe und die Fähigkeit zur Vergebung sieht.“
„After the Hunt“ ist zwar kein wirkliches Leinwand-Comeback für die 57-Jährige – Roberts hat in den vergangenen Jahren jedes Jahr einen Film gedreht – doch es ist ihre kraftvollste Rolle seit Langem. Als Alma Olsson wird sie, wenn auch nicht direkt beteiligt, immer mehr in den MeToo-Skandal hineingezogen und gerät zwischen die Fronten.
Ein Professor geht zu weit
Julia Roberts, die Schöne aus Georgia mit dem breiten, umwerfenden Lächeln. Sie hat einen langen Weg zurückgelegt, seit ihrem Durchbruch mit „Pretty Woman“. Komödien, Thriller, in den letzten Jahren auch hochgelobte TV-Serien. Dabei waren es immer die Charakter-Rollen der starken, vom Leben herausgeforderten Frau, in denen Roberts strahlte. Etwa im Justiz-Drama „Erin Brockovich“ nach einer wahren Begebenheit, das ihr 2001 den Oscar als beste Schauspielerin brachte.
Julia Roberts hat in über 60 Filmen mitgespielt. Eine Mimin, die nichts mehr beweisen muss. Und uns nun ein weiteres Mal überrascht, mit dem Mut eine Figur zu spielen, der wir als Zuschauer ambivalent gegenüberstehen. Denn die Charaktere in „After the Hunt“ handeln kontrovers, sind nie wirklich sympathisch. Vor allem nicht Roberts Figur Alma Olsson.
Julia Roberts ist brillant
Zudem legt der Film den Finger auch in eine andere Wunde. Denn seit Monaten geraten US-Universitäten durch die Trump-Regierung unter Beschuss. Das spürt auch Julia Roberts privat immer mehr: „Es ist entsetzlich. Ich meine, tägliches Lesen der Zeitung ist einfach eine Übung in kontrolliertem Atemstillstand. Ich habe drei Kinder im College und ihre Sichtweise ist so wertvoll für mich, weil sie diese Erfahrung täglich machen.“
„After the Hunt“ stellt ernste Fragen. Wer handelt unter welchen Bedingungen? Wer ist hier gut, wer böse? Ein Film, der seine Zuschauer immer wieder aufrüttelt. Und dabei auf hohem Niveau sehr gut unterhält. Und Julia Roberts ist hier wirklich brillant.
„After the Hunt“ kommt am 16. Oktober in die Kinos.