Knapp neun Jahre ist es her, dass ein rechtsextremer Attentäter aus rassistischen Motiven im Olympia-Einkaufszentrum im Münchner Norden neun Menschen erschoss. Bis es allerdings die bayerischen Sicherheitsbehörden als solche Tat definierten, dauerte es mehr als drei Jahre. So lange war die Rede von einem Amoklauf. Einem Narrativ, das sich in der Öffentlichkeit verhärtete.
„Das ist ein Thema für alle Familien“, sagt Christine Umpfenbach. „Dass sie das Gefühl haben, dass dieses Attentat nie so erwähnt wird wie andere Attentate in der Bundesrepublik.“ Umpfenbach ist Regisseurin und will mit ihrem neuen, dokumentarischen Theaterstück „Offene Wunde“ den Hinterbliebenen eine Stimme geben.
(Weiter-)Leben
Das neue Stück am Münchner Volkstheater soll einen kurzen Abend bieten. So soll es auch Menschen ansprechen, die sonst nicht ins Theater gehen würden. Denn es soll eine bestimmte Botschaft vermitteln, die das größtmögliche Publikum erreichen soll: Wie lebt es sich seitdem für die Hinterbliebenen der Opfer, wie kann (weiter-)gelebt werden? Und: welche politische Ebene steckt dahinter?
Dafür hat Christine Umpfenbach gemeinsam mit Autorin Tunay Önder ein Jahr lang recherchiert, mit fast allen hinterbliebenen Familien gesprochen. Die für sie wichtigste Perspektive war dabei vor allem die der Kinder, also der Geschwister, die im Attentat ihren Bruder oder ihre Schwester verloren haben. Denn die würden kaum innerhalb der Familien darüber sprechen. „Die Perspektive der Geschwister kommt sehr oft nicht vor. Sie haben Schwierigkeiten darüber zu sprechen, weil sie immer sehr stark sein müssen, weil sie wissen, wie sehr ihre Eltern darunter leiden“, sagt Christine Umpfenbach im BR-Gespräch. „Und das nicht sprechen, das macht es nicht besser.“
Wer spricht?
Für die Aufbereitung des Stücks war der Regisseurin wichtig, wer am Ende die Rollen und Stimmen sprechen, wer die betroffenen Familien auf der Bühne vertreten soll. Besetzt wurden nun fünf junge Schauspieler und Schauspielerinnen, von denen zwei eine türkische Migrationsgeschichte haben. „Weil die Sprache auch oft wichtig ist. Sie erzählen aus der Perspektive der Geschwister, was passiert ist.“
So wird auf der Bühne chronologisch, ab dem Attentat, über das (Weiter-)Leben der Hinterbliebenen berichtet. Als Begleitmaterial dienen Fotos und Filme der Verstorbenen. „Wir lernen die Menschen kennen, die in München fehlen“, resümiert Regisseurin Christine Umpfenbach, die sich schon in der Vergangenheit in ihrer Arbeit mit rassistisch motivierten Anschlägen, wie dem NSU, auseinandergesetzt hat.
Das dokumentarische Theaterstück „Offene Wunde“ feiert heute Abend im Münchner Volkstheater seine Premiere. Weitere Vorstellungen wird es im Mai geben.