Es sind nur wenige Augenblicke, die man leicht übersehen könnte: Beim ersten Auftritt von Charles Aznavour im Film zeigt die Kamera einige Sekunden lang eine vollkommen leere, grell ausgeleuchtete Bühne. Mehdi Idir und Grand Corps Malade, die Regisseure von „Monsieur Aznavour“, inszenieren die vielbeschworenen Bretter, die die Welt bedeuten, überzeitlich, in heilig-strahlendem Licht als Vorraum zum Paradies. Die Bühne wird für den jungen Sänger zum safe space, zum Ort der Erlösung, der Verwandlung.
Im weiteren Verlauf des Films werden wir Zeugen, wie Charles Aznavour sich diesen Raum immer wieder aneignet, ihn erobert, wie er ständig an Auftritten feilt, sie gestaltet, mal tänzelnd, mal ergriffen singend. Selbst wenn er sich nach einer TV-Aufzeichnung verurteilt für seine allzu überschwängliche Körpersprache und sich dann auf der Bühne zurücknimmt: Nur dort ist der Künstler er selbst – unantastbar, würdevoll, authentisch, selbst im Scheitern. Die Fallhöhe wird deutlich, wenn Tahar Rahim in der Rolle des Charles Aznavour vor dem Auftritt weissagt: „Heute Abend leb‘ ich oder sterb‘ ich.“