Die katholische Kirche in Deutschland steht nach Meinung des Eichstätter Bischofs Gregor Maria Hanke vor einem finanziellen Umbruch. Er warnt davor, sich weiterhin allein auf die Kirchensteuer zu verlassen. „Wir können uns auf dem Kissen Kirchensteuer nicht mehr ausruhen“, sagte Hanke der Süddeutschen Zeitung. Das derzeitige Finanzierungssystem sei langfristig nicht mehr tragfähig.
Hanke fordert daher einen radikalen Perspektivwechsel. Die Kirche müsse sich aktiv auf ein Ende der staatlich erhobenen Kirchensteuer vorbereiten – und nach alternativen Finanzierungsmodellen suchen. Der Blick ins Ausland könne dabei helfen.
Freiwilligkeit statt Pflichtmodell
In Ländern wie Österreich, Italien oder den USA finanziere sich die Kirche überwiegend durch freiwillige Beiträge der Gläubigen. Auch in Deutschland werde das nötig sein, ist sich Hanke sicher. Ohne Spenden und Engagement der Mitglieder könne die Kirche künftig kaum überleben. „Ohne Beitrag der Gläubigen wird es nicht gehen“, sagte der Bischof. Gleichzeitig steige mit der Umstellung der Rechtfertigungsdruck für das kirchliche Handeln – eine Herausforderung, aber auch eine Chance, findet Hanke
Trotzdem mahnt er zur Vorsicht: Ein abrupter Ausstieg aus dem Kirchensteuersystem würde zu „Massenentlassungen“ führen. Die Kirche habe eine soziale Verantwortung für ihre Mitarbeiter, betonte er. Hanke verwies darauf, dass mit der Kirchensteuer auch viel Gutes bewirkt werde.
Kirchenfinanzen unter Druck
Die Kirchensteuer bleibt aktuell zwar eine wichtige Einnahmequelle – 2023 nahm die katholische Kirche rund 6,5 Milliarden Euro ein, die evangelische Kirche rund 5,9 Milliarden. Doch sinkende Mitgliederzahlen sowie der demografische Faktor machen den Kirchen zunehmend zu schaffen. Schon jetzt rechnen viele Bistümer mit deutlich geringeren Einnahmen in den kommenden Jahren.
Hanke sieht darin einen Weckruf. Die Kirche müsse transparenter werden, ihre Strukturen verschlanken und sich noch stärker an den Bedürfnissen der Menschen orientieren. Freiwillige Beiträge würden eine klare Haltung und ein überzeugendes Handeln erfordern.
Verantwortung nach dem Finanzskandal
Hankes Ruf nach Erneuerung kommt nicht von ungefähr: Sein eigenes Bistum Eichstätt wurde vor einigen Jahren von einem Finanzskandal erschüttert. Mitarbeiter hatten rund 60 Millionen US-Dollar in zweifelhafte US-Immobilienprojekte investiert – ein Verlustgeschäft. Hanke stellte sich der Krise: „Ich habe über Rücktritt nachgedacht“, gestand er. Doch er sei geblieben, um Aufklärung und Veränderung voranzutreiben.
Er habe es bewusst Gerichten überlassen, über Schuld zu entscheiden. Sein Weg sei die strukturelle Erneuerung gewesen. Der Skandal habe ihm gezeigt, wie verletzlich auch kirchliche Organisationen gegenüber Gier und Intransparenz seien.
Wertewandel statt Börsenfokus
Auch in der Gesellschaft erkennt Hanke nach eigenen Worten aktuell viel Gier. „Keiner ist gefeit vor ihr. Die Gier kommt in den scheinheiligsten Gewändern daher“, sagt er und kritisiert zugleich, dass das System der sozialen Marktwirtschaft in den Hintergrund gerückt sei. Die Orientierung am Bruttosozialprodukt greife zu kurz. „Wie wird Zusammenhalt bewertet?“, fragt er und fordert mehr politische Sensibilität für immaterielle Werte.
Vor allem die wachsende Armut in Deutschland, etwa sichtbar an der Überlastung der Tafeln, beunruhige ihn. Es gehe nicht nur um das, „was an der Börse passiert“. Die Kirche müsse sich wieder stärker auf ihre soziale Mission besinnen und dabei gleichzeitig finanziell neue Wege gehen.