đĄ Peter Jungblut beobachtet fĂŒr BR24 Kultur die Debatten hinter den Meldungen rund um den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Dazu verfolgt er russische Medien, Telegram-KanĂ€le und Social Media, und wertet die EinschĂ€tzungen / Stimmen dort dazu feuilletonistisch aus und ordnet ein. So zeigen wir, wie Millionen Menschen innerhalb der russischsprachigen Welt ĂŒber die Ereignisse diskutieren.
Zumindest als Mann ist Donald Trump dem russischen PrĂ€sidenten ausgesprochen sympathisch. Bei einem Auftritt auf einem Diskussionsforum in Sotschi schwĂ€rmte Wladimir Putin: âSein Verhalten zum Zeitpunkt des Attentats â wie soll ich es ausdrĂŒcken, es hat mich beeindruckt. Er erwies sich als mutiger Kerl. Es war nicht nur seine erhobene Hand und der Appell, fĂŒr gemeinsame Ideale zu kĂ€mpfen. Es ist nicht nur das, obwohl es natĂŒrlich in seiner Natur liegt. Der wahre Mensch zeigt sich unter auĂergewöhnlichen Bedingungen â das war hier der Fall. Er hat sich meiner Meinung nach sehr anstĂ€ndig bewĂ€hrt: tapfer, wie ein ganzer Mann.â
âTrump hatte Angstâ
Obendrein Ă€uĂerte Putin Mitleid mit Trump, weil der im Wahlkampf âvon allen Seiten bedrĂ€ngtâ worden sei und daher keinerlei Bewegungsspielraum gehabt habe: âEr hatte Angst, einen Schritt zu viel nach links oder rechts zu machen oder ein verfĂ€ngliches Wort zu sagen.â Nebenbei schimpfte Putin auf die angeblich âextreme Intoleranzâ der Liberalen, was im Trump-Lager auf offene Ohren stoĂen dĂŒrfte. Wie zum Zeichen seiner Sympathie fĂŒr Trump bekrĂ€ftigte Putin, es gebe ĂŒberhaupt keinen Grund, sich dafĂŒr zu schĂ€men, Trump anzurufen.
Kolumnist und Sozialforscher Sergei Schelin behauptete in einem Beitrag fĂŒr die in Amsterdam erscheinende âMoscow Timesâ, Putin komme ideologisch regelrecht âin Modeâ und werde mehr und mehr zu einem weltweiten Vorbild von Leuten wie Trump: âHeute ist die Staatsreligion der Russischen Föderation die radikale, sehr weltliche GegenaufklĂ€rung. Putin genieĂt es sehr, der Hohepriester dieser Glaubensrichtung zu sein. Er wirbt dafĂŒr sowohl bei den zerstrittenen LĂ€ndern des Westens als auch bei den antiwestlichen MĂ€chten des SĂŒdens.â
âNur zum Teil ein Traumâ
Die Autokraten gĂ€ben ihren Fans âAntworten auf alle Fragenâ. Russland sei mitnichten ârĂŒckstĂ€ndigâ, sondern gebe ganz im Gegenteil international den Ton an, was die Fortschrittsfeindlichkeit betreffe: âDas groĂe Interesse des russischen Machthabers an den amerikanischen Wahlen erklĂ€rt sich nicht nur dadurch, dass seiner EinschĂ€tzung nach dort ĂŒber das Schicksal der Ukraine entschieden wird. Putin könnte diese Wahl aus gutem Grund als SchlĂŒsselmoment im globalen ideologischen Kampf betrachten, worin er sich selbst eine zentrale Rolle zuweist und Donald Trump, den Wahlsieger, die Rolle seines Gefolgsmanns und Gleichgesinnten. Und das ist nur zum Teil ein Traum.â
Der rechtsextreme Kreml-Vordenker Alexander Dugin teilt diese Ansicht voll und ganz: âDie US-Wahl stĂ€rkte die traditionellen Werte und schwĂ€chte die Globalisierungs-Diktatur. Die Amerikaner selbst sprachen sich gegen die neoliberale Clique aus und sagten: Raus hier! Vor diesem Hintergrund mutet Putin geradezu prophetisch an.â Angeblich habe sich Trump âvor nicht allzu langer Zeitâ fĂŒr die Ansichten des nationalistischen russischen Philosophen Iwan Iljin (1883 â 1954) interessiert, behauptete Dugin, der das von Trump geprĂ€gte âpostfaktischeâ Zeitalter mit dem Argument verteidigt, das persönliche BauchgefĂŒhl sei allemal wirkmĂ€chtiger als objektives Wissen.
âLĂŒgen erfordern immer höhere Dosenâ
Auch Politologe Andrei Nikulin zeigte sich ĂŒberzeugt, dass Putin und Trump BrĂŒder im Geiste sind. Trump verdanke seinen Erfolg systematischer Wahrheitsverweigerung: âAlle seine offensichtlichen LĂŒgen wirkten sich tatsĂ€chlich zu seinen Gunsten aus und trafen in die emotionalen Zentren des fiktiven Weltbilds, das sich in den Köpfen seiner WĂ€hler breit gemacht hat.â Der Kreml halte sich seit langem an diese Strategie: âJe mehr Sie lĂŒgen, desto mehr wird Ihnen geglaubt und desto stĂ€rker ist die AbhĂ€ngigkeit Ihres Publikums von dieser LĂŒge. LĂŒgen erfordern wie eine Droge immer höhere Dosen, und wenn man mit dem LĂŒgen aufhört (versucht, die Wahrheit zu sagen), fĂŒhrt das zu schweren Entzugserscheinungen und aggressivem Widerstand.â
Zwischen Putin und Trump gebe es durchaus auch Irritationen, argumentierte ein weiterer Polit-Blogger, aber letztlich bewunderten sich beide wegen ihrer Schamlosigkeit: âBeispielsweise können manche Vertreter der westlichen Eliten den Wunsch der russischen FĂŒhrungsschicht, einerseits die Vorherrschaft der Industrienationen brechen zu wollen und andererseits PalĂ€ste und Yachten auf deren Territorium zu besitzen, schwer nachvollziehen. Andererseits ist es genau diese Art von Chuzpe, die die herrschende Klasse Russlands zu Trump hinzieht.â