Von Bienen lernen?
Zu den Bienen ist das beißpony zufällig gekommen. Die Beschäftigung mit den für das ökologische Gleichgewicht so zentralen Bestäubern hat aber schließlich auch inhaltliche Parallelen zu unser aller Alltag im Spätkapitalismus zutage getragen. So sei das Leben der Bienen zwar stark von Hierarchien geprägt und ähnlich durchgetaktet wie das von uns Menschen.
Trotzdem gebe es bei ihnen auch viele Ruhezeiten – und sie seien weniger gehetzt, sagt Steffi Müller: „Du wachst auf mit den Bienen und dann gibt es diese frühe Morgenzeit, wo die voll lebendig sind. Das ist ja auch eine schöne Zeit, wo die Sonne aufgeht und es riecht alles interessant. Und das ist so eine Zeit, wo ich als Stadtmensch oft nicht mal frühstücke, sondern schnell zur U-Bahn hetze, um weiterzukommen.“ Auch Laura Theis, die aus ihrer Wahlheimat Oxford zugeschaltet war und den Großteil der Texte geschrieben hat, hat sich von den Bienen inspirieren lassen.
Dabei ist der Band bewusst, dass die Natur ein oft auch konstruierter Sehnsuchtsort für Städter ist. Schließlich kommen sie alle selbst vom Land. Und sind deshalb auch weit davon entfernt, die Bienen einseitig zu verherrlichen: „Da gibt es sicher auch Hierarchien, wenn wir die übertragen würden, fänden wir die gar nicht so toll. Oder Mechanismen, wo dann jemand ausgestoßen wird nach einer bestimmten Zeit.“
Die Kunst des Andeutens
Auch die Imker-Werkzeuge sind zu Instrumenten geworden. Ein stetes Schaben, Kratzen, Klappern durchzieht das Album. Das passt sehr gut zur fragilen Stimmung von „The Small and the Many“. Beißpony beherrschen die Kunst des Andeutens wie niemand anderes: hier ein leiser HipHop-Beat, dort ein paar vorsichtige Techno-Sounds. Die Band spielt, wo überhaupt, nur kurz mit musikalischen Tropen, um sie dann wie ein uninteressant gewordenes Spielzeug wieder links liegenzulassen.
Das hat Methode, erklärt Steffi Müller: „Ich kann überhaupt nicht mit Ausformulierungen umgehen. Ich liebe es, wenn der Kopf sich selber alles Mögliche zusammenfügen muss, wenn was auch komplex ist und ich nicht sofort alles verstehe. Ich will nicht alles verstehen, sonst würde ich mir Populist*innen reinziehen. Ich mag auch Dinge, die ich nur so anspüren kann, wie wenn mich kurz ein Insekt piekst.“
Ganz und gar nicht Zeitgeist
„The Small and the Many“ ist ein Album, auf das man sich einlassen muss. Das einen zwingt, genau hinzuhören. Und das ist nicht wenig verlangt in Zeiten einer Aufmerksamkeitsökonomie, bei der der nächste, vielleicht ja noch interessantere Song und jede Ablenkung der Welt stets nur ein Wischen auf dem Handy entfernt ist. Ein Song muss in den ersten 30 Sekunden knallen, so will es die Spotify-Logik.
Beißpony sind solche Überlegungen komplett fremd. Musik traue sich das seltener, so Steffi Müller. Es gebe zwar viel Experimentelles, „aber alles, was dann vielleicht in der Industrie irgendwann relevant ist, da gibt es schon so ein Hinterherrennen: Könnten die Hörer*innen überfordert sein?“ Sie denke nie daran, ob jemand überfordert ist, „weil ich grundsätzlich davon ausgehe, dass Menschen einen Kopf haben und gefordert werden wollen und nicht für blöd gehalten werden wollen.“
Wer also mehr sucht als das bereits Gewohnte, wird am neuen Beißpony-Album seine Freude haben. Und darf seine eigenen Analogien finden vom Gewusel der Bienen – und dem nicht weniger wuseligen Treiben von uns Menschen.