Nach massiver Kritik aus einigen Teilnehmer-Ländern wie Spanien und Belgien am diesjährigen ESC-Publikums-Voting hat sich jetzt der Direktor des Veranstalters EBU, Martin Green, ausführlich geäußert (externer Link). Anlass für die Debatte war eine Diskrepanz bei der Abstimmung für den israelischen Beitrag. Sängerin Yuval Raphael hatte bei den Jurys nur vergleichsweise wenige Punkte erhalten, bei den Zuschauern jedoch triumphiert. Beim ESC-Sieger JJ aus Österreich war es umgekehrt gewesen.
Deshalb war vom spanischen Staatssender RTVE und anderen Beobachtern gemutmaßt worden, es hätten politische Faktoren eine Rolle gespielt, die Abstimmung sei insofern nicht „fair“ gewesen.
Die EBU habe die Kritik „aufmerksam“ zur Kenntnis benommen, so Martin Green: „Das ESC-Wahlsystem umfasst mehrere Sicherheitsebenen und ein umfassendes Regelwerk, um ein gültiges Ergebnis zu gewährleisten. Unser Partner bei der Durchführung der Abstimmung – die Once Germany GmbH – nutzt redundante Systeme und mehrere Plattformen, um die korrekte Übermittlung der Stimmen an das zentrale System sicherzustellen.“
60 Personen überwachen Abstimmungsprozess
Es kämen „speziell entwickelte Systeme zur Überwachung und Betrugsprävention“ zum Einsatz: „Zusätzlich überwachen über 60 Personen in Köln sowie weitere in Wien und Amsterdam den Abstimmungsprozess in jedem Land und stehen in direktem Kontakt mit Telekommunikations- und Rundfunkpartnern weltweit. Alle Ergebnisse werden nach dem 8-Augen-Prinzip vom Vorstandsvorsitzenden und den leitenden Mitarbeitern von Once überprüft, die zusammen über 40 Jahre Abstimmungserfahrung verfügen.“
Ein „unabhängiger Compliance-Beauftragter“ der Wirtschaftsberatungsfirma EY überwache und authentifizierte die Ergebnisse: „Jede Entscheidung im Zusammenhang mit den Ergebnissen wird dokumentiert und bewertet. Der gesamte Prozess, einschließlich der Ergebnisberechnung der Plattform und der Abstimmungsergebnisse, wird von EY gründlich geprüft und verifiziert.“
Referenzgruppe untersucht „Ausfallsicherheit“
Martin Green räumte ein, dass bei allen Abstimmungsformen, ob per SMS, Anruf oder online, bestimmte „Communities oder Diaspora“ im Umkreis einzelner Künstler eine besondere Motivation hätten: „Das kann viele Gründe haben, darunter persönliche Eigenschaften, Hintergrundgeschichten, geografische Zugehörigkeiten und aktuelle Ereignisse. Historisch gesehen war der ESC dafür genauso offen wie andere Gesangs- und Musikwettbewerbe und Reality-TV-Sendungen.“
In früheren Jahren hatte vor allem die Solidarität der Länder Osteuropas untereinander Diskussionen ausgelöst. Vor allem das Abstimmungsverhalten der europäischen Nachfolgestaaten der Sowjetunion war diesbezüglich auffällig, was auf „historische und kulturelle“ Bindungen zurückgeführt wurde.
Jedes Jahr untersuche eine „Referenzgruppe des Wettbewerbs“, die sich aus Vertretern der EBU-Mitglieder zusammensetze, die von Once bereitgestellten Daten, so Green, um Empfehlungen für mögliche Maßnahmen abzugeben, die die „Ausfallsicherheit unserer Regeln und Systeme gewährleisten und aktuelle externe Faktoren wie technologische Fortschritte und äußere Einflüsse“ berücksichtigen sollten: „Dieser Prozess findet wie immer im Juni dieses Jahres statt.“
20 Stimmen „pro Zahlungsmethode“
Die EBU werde sich insbesondere mit der Werbung einzelner Kandidaten im Vorfeld des Finales beschäftigen. Diese sei grundsätzlich erlaubt, um die Karriere der Teilnehmer zu fördern. Allerdings solle sichergestellt werden, dass dabei einzelne „Communities und Diaspora“ nicht „unverhältnismäßig“ mobilisiert würden.
Die EBU lasse pro Person 20 Stimmen „pro Zahlungsmethode“, also zum Beispiel einer Kreditkarte, zu. „Das soll sicherstellen, dass Zuschauer jeden Alters für mehr als einen ihrer Lieblingssongs stimmen können. Es gibt derzeit keine Hinweise darauf, dass dies das Endergebnis unverhältnismäßig beeinflusst – aber die Frage wurde gestellt, und wir werden sie uns ansehen“, so Green.