Das Schicksal schlägt bei Carla Mittmann eines Morgens ein und verfehlt sie nur knapp. Ein Stein fliegt durch ihr Schlafzimmerfenster. Wer ihn geworfen hat? Das Universum – davon ist die Protagonistin von Katja Kullmans Roman „Stars“ irgendwann überzeugt. Denn der Stein kommt nicht allein, vor Carlas Tür steht auch noch ein Karton mit 10.000 Dollar. Die gescheiterte Akademikerin setzt alles auf eine Karte: Sie macht ihr Hobby, die Astrologie, zu ihrem Hauptjob.
Es „liegt an Pluto“
Der Roman von Karla Kullmann treibt die Faszination für Astrologie humorvoll auf die Spitze. Denn die boomt gerade mal wieder, vor allem in den Sozialen Netzwerken: 1,3 Millionen Beiträge allein mit dem Hashtag #Astrologie gibt es bei Instagram, bei Tiktok sind es noch mal etwa halb so viele. Und das klingt dann so wie bei Userin „mariamicha“: „Wenn du das Gefühl hast, dass gerade alles wieder hochkommt, irgendwelche Wunden, toxische Verhaltensmuster…dann wundere dich nicht, das liegt nicht an dir, das liegt an Pluto.“
Unzählige Influencerinnen und Influencer analysieren rückläufige Planeten, Vollmonde im Sternzeichen und Aszendenten. Hunderttausende folgen ihnen im Netz, liken Videos und erklären sich so die großen Dramen und kleinen Erfolge ihres Lebens.
Astrologieboom als Seismograph für Krisen
Für die Autorin Katja Kullmann ist die Nachfrage nach Horoskopen auch ein Gradmesser für den Gemütszustand der Welt. Gilt: Je mehr Krise, desto Astro, Frau Kullmann? „Ganz kurz könnte man das wahrscheinlich auf diese Formel herunterbrechen“, sagt Karla Kullman im BR-Interview. „Eigentlich erfahren immer in großen gesellschaftlichen Umbruchsphasen solche spirituellen Angebote eine starke Nachfrage.“ Die letzte richtig große Welle sei in Deutschland zwischen den beiden Weltkriegen gewesen, also vor rund hundert Jahren.
Der Glaube an den Einfluss der Sterne, für den es übrigens keinen wissenschaftlichen Beweis gibt, kann ein ziemlich lukratives Geschäftsmodell sein. Carlas Vorbild ist die Schweizer Star-Astrologin Elizabeth Teissier. Die moderierte in den 1980er-Jahren nicht nur die „Astro Show“ in der ARD, sondern beriet angeblich auch den französischen Präsidenten Francois Mitterand zum Zustand der Sowjetunion.
Astro-Mumpitz mit wahrem Kern?
Im Roman ist Carla studierte Philosophin und spricht anfangs noch von „Astro-Mumpitz“. Doch dann kommt der Erfolg. Am Ende scheint sie selbst nicht mehr zu wissen: War das nun freier Wille oder stand alles schon in den Sternen? Denn so funktioniert Astrologie, erklärt Katja Kullmann. Irgendetwas Wahres steht immer drin: „Es ist eine Art Besinnungstechnik. Wenn Menschen eine schwierige Entscheidung treffen müssen, tendieren wir oft schon in eine Richtung, die uns überrascht oder unangenehm ist.“
Wenn man so eine Frage hat und sich an eine vermeintlich objektive Quelle wende – zum Beispiel ein Horoskop –, dann scheine es plötzlich zu stimmen. „Und endlich ringt man sich durch zu der Entscheidung, die man schon die ganze Zeit in sich trug.“
Selbst als Horoskop-Skeptiker fühlt man sich beim Lesen von „Stars“ immer wieder ertappt, wenn Kullmann Wohnungseinrichtungen, Redeweisen oder Kaffeevorlieben bestimmten Sternzeichen zuschreibt. Obwohl man bei der Lektüre auch lernt: Auf die Frage „Welches Sternzeichen bist du?“ einfach nur mit „Wassermann“ zu antworten, ist alles andere als ausreichend. Denn ohne den passenden Aszendenten bleibt der Blick in die Sterne allzu ungenau.