Der russische Militärblogger Swjatoslaw Golikow nimmt kein Blatt vor den Mund [externer Link]: „Der Grund, warum die Leute sich nicht zum Fronteinsatz melden wollen, besteht darin, dass sie null Vertrauen in den Staat, das Verteidigungsministerium und alle Ebenen der ‚Führung‘ haben. Die Leute misstrauen dem Staat, weil er überall Profiteure hat, Geld seine Hauptsorge ist, weil unklar ist, wofür gekämpft wird, und weil sie nicht wissen, wie lange dieser Staat überhaupt noch bestehen wird, aber sie spüren, dass er vielleicht nicht mehr von langer Dauer ist.“
Eine Kampagne für die Anwerbung von Freiwilligen, die am 25. August gestartet wurde, habe „keine Resultate“ gebracht, ist auf einem der mit 206.000 Abonnenten wichtigsten russischen Polit-Blogs zu lesen [externer Link]: „Die Zahl der Vertragswilligen liegt weit unter den geplanten Zielen, die Rekrutierungsrate sinkt weiter. Die Gründe liegen auf der Hand. Im Frühjahr traten Vertragssoldaten der Armee bei, als Gerüchte über ein baldiges Kriegsende aufkamen. Viele glaubten ernsthaft, dass bis Jahresende ein ‚großer Deal‘ gelingen würde, der sie davor bewahren würde, jahrelang an der Front kämpfen zu müssen. Doch nun sind solche Hoffnungen verflogen.“
Putin: „Unsere Leute kommen von sich aus“
Die strategischen Prioritäten würden im Kreml derzeit „überarbeitet“, weil die Kosten für minimale Geländegewinne immer weiter anstiegen. „Jede neue Schützengrabenlinie, jedes Dorf, jeder Quadratkilometer Land kostet uns mehr als der vorherige“, wird ein hoher Beamter zitiert. Aufwand und Ertrag stünden in keinem akzeptablen Verhältnis mehr.
Dagegen hatte Wladimir Putin bei einer Podiumsdiskussion am 2. Oktober auf die Frage, ob Russland ausreichend Frontkämpfer finde, geantwortet [externer Link]: „Wir haben genug. Zunächst einmal haben wir natürlich leider auch Verluste, aber sie sind um ein Vielfaches geringer als die Verluste der ukrainischen Streitkräfte, um ein Vielfaches geringer. Was ist der Unterschied? Unsere Leute kommen von sich aus zu uns, melden sich bei der Armee; sie sind im Grunde Freiwillige.“
„Was ist los mit denen, verdammter Laden?“
Dieser Einschätzung widersprechen zahlreiche Militärblogger. So startete Alexander Kartawik (100.000 Follower) eine Umfrage und sammelte Meinungen zu folgendem Zitat eines anonymen russischen Politikers [externer Link], der sich bei ihm beschwert habe: „Wir geben bereits sechs Millionen Rubel [umgerechnet rund 60.000 Euro] für einen Freiwilligen aus, bald werden es sieben oder sogar acht Millionen sein. Und der Andrang ist nicht besonders beeindruckend. Ein Teelöffel pro Tag, tröpfchenweise. Was ist los mit denen, du verdammter Laden? Was musst du ihnen sonst noch geben, damit sie kämpfen?“