Nur eineinhalb Minuten lang ist die Aufnahme – grobkörnig, in Schwarz-Weiß und leicht verwackelt. Und dennoch: Für die damalige Zeit – es ist das Jahr 1896 – war dies ein bahnbrechendes Ereignis. Nur wenige Monate zuvor hatten die Brüder Lumière überhaupt erst die ersten Filme gedreht.
Papst Leo XIII. ist stolze 86 Jahre alt, als er sich in den Vatikanischen Gärten filmen lässt. Die Sequenzen zeigen einen zierlichen Mann in weißem Gewand, wie er jeweils den sogenannten apostolischen Segen spendet – ein Privileg, das allein dem Papst vorbehalten ist – zunächst auf einem Stuhl im Vatikanischen Garten sitzend, in der Folgeszene aus einer Pferdekutsche heraus.
„Kein normaler Katholik kannte früher das Bild des Papstes“
Bis dahin war der Papst eine ferne, fast mystische Figur – für die meisten Katholiken ein Mann ohne Gesicht. Mit den Aufnahmen von Papst Leo XIII. wurde der Stellvertreter Christi auf Erden plötzlich sichtbar. Nahbar. Menschlich.
„In früheren Zeiten kannte ein normaler Katholik das Bild des regierenden Papstes nicht“, sagt Jörg Ernesti. Der Augsburger Kirchenhistoriker hat sich intensiv mit Leo XIII. befasst – und eine Biografie über den „ersten Medienpapst“, wie er ihn nennt, verfasst. Mit den Filmaufnahmen, vor allem aber mit den zahlreichen Fotografien, habe Leo XIII. den Beginn eines „Medienzeitalters der Päpste“ eingeläutet.
„Und das Ergebnis ist frappierend gewesen“, lautet Ernestis Einschätzung. Leo XIII. sei so populär gewesen, wie kein anderer Papst der Neuzeit vor ihm.