Doch all das sind nur Vorstufen, Herbins eigentlicher Weg führt in die Abstraktion. Seine späteren Bilder zeigen bunte, kompakte Formen, mit Vorliebe für Kreise und Spiralen. Hier und da meint man noch einen Schnabel oder ein Auge zu erkennen, doch alles bleibt Form und Fläche. „Für ihn ist das, was sich über Farbe überträgt, nur in der Fläche möglich“, erklärt Susanne Böller. „Sobald etwas dargestellt wird, braucht man Modulationen, Rundungen, da entsteht Material, etwas Greifbares, und dann kann die Farbe ihre Wirkung nicht mehr so entfalten.“
Abstrakte Kunst als Kunst für alle
Herbin ist ein Arbeitstier, er malt nicht nur unermüdlich, er engagiert sich auch politisch für die neue Kunst, 1931 wird er Präsident der Gruppe „Abstraction-Création“, der auch Kandinsky, Delaunay oder Mondrian angehören. Herbin wollte eine neue, moderne Ästhetik schaffen, verbunden mit der Hoffnung auf eine gerechtere soziale Ordnung. „Herbin wird 1920 – wie viele Künstler und Intellektuelle in Frankreich – Mitglied der kommunistischen Partei, deswegen ist dieser Gedanke, dass es eine Kunst für alle geben muss, das heißt eine Kunst, die alle verstehen können, ganz wichtig für ihn“, so Böller. So sei er zur abstrakten Kunst gekommen, weil in der Vorstellung der abstrakten Künstlerinnen und Künstler dies die Kunst sei, für die man keine bildungsbürgerlichen Voraussetzungen zum Verständnis brauche.
Abstrakte Kunst als universelle Kunst, die unabhängig von Sprache und Herkunftskultur verstanden wird: Dieser Gedanke vereint Herbin mit den Vorreitern der Abstraktion in Deutschland, wie etwa den Künstlern des Blauen Reiters.
Die Ausstellung zeigt 50 Arbeiten aus 60 Schaffensjahren. Es sind erfrischende Bilder, konsequent, witzig und sprühend vor Fantasie. Und so bleibt am Ende ein doppeltes Staunen: über die Kunst und über die Tatsache, dass Auguste Herbin in Deutschland noch recht unbekannt ist.
Auguste Herbin: Bis 19. Oktober im Lenbachhaus in München