Bei Maximilian und Alexander Oberschelp brennt es, also zumindest hinter ihnen. Auf dem Cover ihres neuesten Albums „To Be Honest“ lehnen sie cool an einem Auto, das lichterloh in Flammen steht. Ziemlich passend. So haben sie über die Jahre selbst in vielen jungen Menschen ein Feuer entfacht – es brennt für ihre Musik.
Die Münchner Oberschelp-Brüder nennen sich O’Bros und machen christlichen Rap. Und damit stehen sie aktuell auf Platz 1 der deutschen Album-Charts. Ein großer Triumph für moderne Gottesdienst-Mukke. Und für ihr Durchhaltevermögen. Die O’Bros sind seit über zehn Jahren aktiv im Musikbusiness, brachten bereits 2015 ihre erste Platte auf den Markt: „R.A.P. – Radikal anders predigen“.
Über die Jahre positionierten sich die Brüder immer wieder als Alternative zum gängigen Jargon in der Rap-Szene. Sie wollen nach eigener Aussage der Jugend zeigen, es gäbe mehr als nur „Geld, Alkohol und Frauen“ (externer Link, möglicherweise Bezahl-Inhalt). Bei den O’Bros dagegen geht es um christliche Werte: die Liebe zu Gott, Lobpreis, Gute Nachrichten für die Welt und den Heiligen Geist. An sich klingt alles erstmal harmlos. Doch der Teufel steckt auch hier im Detail.
Was sind KiNC-fluencer?
Denn die Theologin und Pfarramtsanwärterin Maria Hinsenkamp, die sich in ihrer Arbeit „Visionen eines neuen Christentums“ (externer Link, möglicherweise Bezahl-Inhalt) mit neueren Entwicklungen pfingstlich-charismatischer Netzwerke beschäftigt hat, rechnet die O’Bros zu den sogenannte „KiNC-fluencern“. „KiNC“ steht für „Kingdom-minded Network Christianity“ und dient als Sammelbegriff für eine Szene, der ein theologisch-weltanschauliches Konzept gemein ist: „Es wird ein bestimmtes Reich-Gottes-Verständnis postuliert, dessen Ziel die Herrschaft Gottes in allen individuellen und gesellschaftlichen Lebensbereichen ist.“
Laut Hinsenkamp agiert die KiNC-Szene international und transkonfessionell und hat einen klaren Auftrag zu missionieren, und zwar nicht nur Menschen, sondern auch gesellschaftliche Einflussbereiche wie zum Beispiel Politik, Bildung und Medien. Deshalb würden sie den Fokus auch stark darauflegen, im Kampf gegen die vermeintliche Strategie des Bösen weltweite Netzwerke aufzubauen und so ganze Gesellschaftsbereiche für das Reich Gottes „zurückzuerobern“.
Die KiNC-Szene setze laut Hinsenkamp stark auf Authentizität und eine emotionale Erfahrbarkeit des Glaubens: „Man könnte fast sagen, dass das Spirituelle im Gewand der Popkultur daherkommt und deshalb auch eine ganz hohe Anschlussfähigkeit hat.“ Lobgepriesen wird in hippen Locations, in moderner Sprache, auf große Bühnen – und mit angesagter Musik. Und da kommen die O’Bros ins Spiel.
„Jesus auf cool“ – oder auf fundamentalistisch?
Sie wirken nahbar, setzen auf einen modernen Hiphop-Lifestyle und bringen niederschwellig ihre Reich-Gottes-Vision an ihre Hörer:innen: Vor diesem Hintergrund wirken einige Textstellen durchaus befremdlich: „Transformation für die ganze Nation. Kommen voller Dominanz vor den Thron. Für jeden Dämon ist hier Haltestation“, heißt es auf ihrem neuesten Album. Oder: „Ja, die ganze Welt ist gespalten. Bist du nicht links, bist du rechts. Die Wahrheit wird verdreht und böses so oft gut genannt.“ Aber auch auf ihrem Album „Exodus“ von 2017 rappen sie schon durchaus martialisch: „Wir sind die Armee, die auf Knien kämpft. Die ihren Feinden das Leben schenkt“ und nicht zuletzt „Radikale jugendliche Christen mit Extremismuspotential. Und die Polizei ermittelt wegen Fundamentalismus, uns doch scheißegal“.
Im Rap ist die Überspitzung ein beliebtes Stilmittel und nicht alles sollte man genau so beim Wort nehmen. Doch die O’Bros sind bereits auch mehrfach in Kreisen der religiösen Rechten und im Dunstkreis fundamentalistischer Christen aufgetreten:
So spielten sie 2024 beispielsweise einen Gig auf der UNUM24-Konferenz, die sich selbst als „harmlose Glaubenskonferenz“ mit dem Ziel der Ökumene bezeichnet. Eingeladen war dort aber auch der prominente Redner Bill Johnson, Gründer der „Bethel Church“, einer charismatischen Pfingstgemeinde in Kalifornien, der etwa sogenannte Konversionstherapien befürwortet. Bei Konversionstherapien wird versucht, Menschen von ihrer Homosexualität zu „heilen“ wie von einer Krankheit. Das ist in Deutschland seit 2020 verboten. Münchens dritte Bürgermeisterin Verena Dietl (SPD) bezeichnete den Kongress im Vorfeld als Treffen „verschiedener fundamental-christlicher LGBTIQ*-feindlicher Akteure“ und die evangelische Jugend München distanzierte sich ausdrücklich von der UNUM24.
Auch auf der ARC 2024, der Alliance for Responsible Citizenship-Conference war einer der O’Bros anwesend. Auf einem Instagram-Foto ist Alexander Oberschelp in London gemeinsam mit einer Gruppe junger Christfluencer:innen zu sehen. (externer Link, möglicherweise Bezahl-Inhalt) Die ARC ist eine Zusammenkunft, die laut eigener Aussage konservative Stimmen vereinen möchte, oft aber als sowas wie ein Klassentreffen rechter Christfluencer:innen beschrieben wird. Initiiert vom kanadischen Psychologen und Antifeministen Jordan Peterson, trifft sich auf der ARC jedes Jahr ein internationales Netzwerk an rechtspopulistischen Politiker:innen, Antifeminist:innen, christlichen Fundamentalisten und Demokratiefeinden. Zu Gast waren 2024 unter anderem Frauke Petry (ex-AfD), der rechtskonservative Brexit-Befürworter Nigel Farage und Kristen Waggoner, Präsidentin der Trump-nahen christlichen Lobbygruppe „Alliance Defending Freedom“, die auch in Europa gegen Abtreibungen und die Rechte homosexueller Menschen agitiert, wie CORRECTIV berichtete. (externer Link, möglicherweise Bezahl-Inhalt)
Einige Überschneidungen mit der religiösen Rechten
Die Nähe zur religiösen und politischen Rechten sei kein Zufall, bestätigt Theologin Maria Hinsenkamp. So würden in der KiNC-Szene beispielsweise oft rechte Narrative wie Antigenderismus oder die Dämonisierung von liberalen Werten verbreitet: „In der KiNC-Logik gibt es klare Feindbildstrukturen, die sich mit rechten Diskursen und Haltungen überschneiden können.“ Durch die große Reich-Gottes-Mission würden so Kulturkämpfe spiritualisiert und politische Fragen wie zu Gender zu Fragen des geistlichen Kampfes erklärt. „Und immer zu der Frage: Dient es dem Reich Gottes?“, erklärt Hinsenkamp weiter, „aber wie die ideale Gesellschaft dort aussieht, überschneidet sich dann in bestimmten Teilen auch wieder sehr stark mit Vorstellungen in rechten Kreisen.“
Auf unsere Anfrage, was die O’Bros auf solchen Treffen suchen, haben sie bisher nicht regiert. Dabei haben sie in einem Interview mit dem Stern 2019 (externer Link, möglicherweise Bezahl-Inhalt) noch betont: „Das Herz unseres christlichen Glaubens ist: Annahme und Nächstenliebe unabhängig davon, wer und wie du bist.“