„Das ist eine Herausforderung, vor der die ganze Theaterbranche steht: Wie bekommen wir ein jüngeres Publikum? Ob es subventionierte Staatstheater oder private Theater wie wir sind: junges Publikum sichert die Zukunft der Häuser, aber es fehlt noch in der Masse“, sagt Geschäftsführer Peter Weil vom Münchner Varieté-Theater GOP dem BR. Deshalb sei die Herausforderung zu meistern, junge Zuschauer für neue Themen zu interessieren und ältere dabei mitzunehmen.
„Breakdance gehört dazu, er ist ja längst aus der Nische heraus und hat eine 50-jährige Geschichte. Er dreht sich nicht mehr um Ghettoblaster und Workout-Klamotten, sondern um Artistik und Leistung. Nicht von ungefähr war er ja letztes Jahr in Paris olympische Wettkampfdisziplin“, so Weil. Breakdance sei mittlerweile fester Bestandteil der Varieté-Kultur.
Wehmütige Club-Erinnerungen an Lasereffekte
Timo Dettmar, Lennart Feser und Artur „Bboy Archi“ Idrisov vom Schweinfurter Tanzstudio DDC Factory führen das auf der GOP-Bühne eindrucksvoll vor, wobei die Abkürzung „DDC“ als „Dancefloor Destruction Crew“ zu lesen ist: Die Truppe wurde einst aus einem Jugendclub geworfen, weil sie das dortige Parkett angeblich zu sehr abnutzte. Der gelernte Industriemechaniker Dettmar gewann 2010 erstmals die Deutsche Meisterschaft im Breakdance. Mitreißend, was er mit seinen Kollegen an schwindelerregenden Rotationen, Sprüngen und Verrenkungen drauf hat: Angst vorm Fliegen haben sie definitiv nicht.
Im Licht der LED-Wand und jeder Menge Lasereffekte macht das alles mächtig was her. Wer bei den bunten Laserlicht-Fächern wehmütig an seine frühen Club-Erfahrungen aus den Achtzigern und Neunzigern zurückdenkt, darf sich gezielt angesprochen fühlen, schließlich will die Show „Stylez!“ Generationen übergreifend vermittelbar sein. Im Übrigen sei sie allein schon deshalb temporeicher, weil es keinen Moderator gebe, der den Ablauf bei anderen Produktionen sonst auch schon mal „abbremse“, so Weil.
LEDs auf dem Cyr Wheel
Witzeleien, Live-Songs und Dialoge, die bekanntlich Geschmackssache sind, entfallen ersatzlos, die Show ist „nonverbal“ und somit auch für ein internationales Publikum geeignet. Die eingespielten Rap-Hymnen muss es ja nicht wörtlich verstehen, es reicht völlig aus, sich von ihrem mal sentimentalen, mal beschwingten Rhythmus anstecken zu lassen.
Bei den Akrobaten fällt auf: In so aufwändiger Effektbeleuchtung sind die teils spektakulären Acts gleich doppelt so faszinierend, egal, ob es um eine funkelnde Diabolo-Nummer oder eine turbulente Cyr Wheel (Riesenreif)-Einlage geht, bei der die darauf angebrachten LEDs geometrische Muster in die Dunkelheit zaubern.
Programmwechsel künftig alle drei Monate
Reale und virtuelle Personen necken und strecken sich vor und auf der Videowand, was von Live-Performer „Poppin‘ Pain“ höchste Konzentration und Koordination erfordert, damit die Bewegungen simultan ablaufen und das Spiel mit der Perspektive funktioniert. Mit solchen optischen Illusionen kennt sich junges Publikum dank allerlei Deepfakes im Netz ja prima aus – während ältere Zuschauer über das Verschwimmen von realer und virtueller Welt möglicherweise auch mal irritiert (oder verblüfft) sind.
Insgesamt ein gelungenes Wagnis des GOP-Varieté, das seine Shows künftig in München länger gastieren lässt. Während das Programm bisher alle zwei Monate wechselte, wird im kommenden Jahr jede Show drei Monate auf dem Spielplan stehen. Dabei gehe es weniger ums Sparen, so Weil, vielmehr habe das GOP die Erfahrung gemacht, dass der Andrang bei beliebten Shows gegen Ende ihrer Laufzeit immer größer werde, was wohl der Mundpropaganda zuzuschreiben sei. Wer eine entsprechende Empfehlung bekommt, soll also mehr Zeit haben, sie selbst zu überprüfen.
Bis zum 13. Juli im GOP München.