Gleich mit dem ersten Song ihres Albums, mit „Flying Machine“, setzt Sophie Auster das große Thema: die Erinnerung. Der kindlichen Stimme – eine frühe Aufnahme – folgt, zunächst begleitet von Klavier und Schlagzeug, ein gedanklicher Streifzug durch die eigene Vergangenheit. Im Refrain singt sie dann: „You better remember“.
„Als ich klein war, habe ich oft darüber fantasiert, was für ein Mensch ich später mal sein würde – und was ich einmal mache“, erzählt Auster im BR24-Interview. „Auf dem Weg durch das Leben gibt es viele Herausforderungen. Und die Dinge sind immer wieder anders als gedacht. In diesem Song möchte ich dieses romantische Gefühl festhalten – und das Staunen bewahren.“
Durch die Songs spricht der Vater
Zehn Songs hat die in New York lebende Musikerin für ihr neues Album „Milk for Ulcers“ eingespielt. Sie sind in einer für sie selbst herausfordernden Zeit entstanden: Sophie Auster verlor ihren Bruder, ebenso eine Nichte – und ihr Vater, der Schriftsteller Paul Auster, erkrankte schwer. Er starb im April 2024 und ließ seine Tochter und seine Frau Siri Hustvedt zurück, ebenfalls eine berühmte Schriftstellerin.
Unter anderem „Blue Team“, ein ruhiges Klavier-Stück, erzählt von ihm. Der Titel geht auf die Schulzeit von Paul Auster zurück. In einem Sommer-Camp gehörte er zu einem philosophischen Diskussions-Zirkel mit diesem Namen. Später, in seiner Familie, wurde „Blue Team“ ein Code-Wort für moralisch verantwortungsvolles Handeln.
„Wir haben damit zum Ausdruck gebracht, wie wir über Menschen denken“, sagt seine Tocher Sophie. „Es gab auch einen humorvollen Aspekt dabei. Es war nicht nur ernst gemeint. Es ging darum, wer die außergewöhnlichen, guten Menschen in der Welt sind. Mein Vater nutzte das aber auch, um seinen Spaß mit meinen Freunden zu machen. Er fragte augenzwinkernd, ob sie zum ‚Blue Team‘ gehören.“
„Es ist sehr schwer, die Hoffnung aufrechtzuerhalten“
Sophie Austers Album ist melancholisch – aber nicht nur. Es gibt auch andere biografische Wendungen, die das Entstehen ihrer Songs beeinflusst haben: die Begegnung mit ihrem Mann, die Geburt ihres Kindes. Die Zeit, in der das Album „Milk for Ulcers“ erscheint, steht im Zeichen großer und weltpolitischer Brüche. Die Welt, die wir kannten, werde gerade mutwillig zerstört, unter anderem durch die Regierung der USA, so Sophie Auster, die das nicht unberührt lässt. Sie sagt, sie fühle sich gerade, als treibe sie auf einem Floß mitten auf dem Ozean.
„Die Welt fällt gerade auseinander. Vor allem auch mein Land. Das ist zutiefst beunruhigend“, sagt die 37-Jährige. „Ich möchte ehrlich sein: Es ist sehr schwer, die Hoffnung aufrechtzuerhalten. Jeden Tag ist da so viel Angst. Man schaut die Nachrichten und bekommt immer mehr davon. Ich habe das Gefühl, dass wir dem weiter widerstehen müssen. Dass wir uns mit anderen Menschen zusammenschließen müssen, die sich genauso fühlen.“
Folgt auf den Weltwinter wieder Besseres?
Ein emotionales Zentrum des Albums: die Ballade „Let it be spring“. Der Song handelt vom Verlassenwerden – und beschwört gleichzeitig eine Hoffnung: dass dem Winter, der Dunkelheit und der Kälte etwas anderes folgt – Frühling, Licht und Wärme. Das Lied erzählt eine persönliche Geschichte, nicht von der Weltlage. Es lässt sich aber auch auf die Erfahrungen dieser Zeit übertragen.
Sophie Austers Album „Milk for Ulcers“ ist am 18. April beim Label CEN erschienen, zunächst digital. Anfang Mai gibt es das Album als CD und Vinyl. Im Mai ist Sophie Auster mit ihrer Band auf Deutschland-Tour und spielt am 23. Mai in München.