Viele der Kommentare lesen sich ähnlich. Manche sind mit „Bruder, nicht in Japan“ eher harmlos, andere fassen die Sorgen dramatischer zusammen. „Danke. Wegen dir wird die Reise nach Japan nur noch ein Traum bleiben“, schreibt ein User. Es sind Reaktionen, die sich unter den TikTok-Videos von „Streichbruder“ sammeln, einem 17-jährigen Rosenheimer, dessen Videos durch zwei Sachen regelmäßig viral gehen.
Die erste: Mit seiner Musikbox macht er an öffentlichen Plätzen Lärm. Idealerweise ist er dabei von Menschen umgeben, die ihm nicht entkommen können, wie in der U-Bahn. Die zweite Sache, die ihn bekannt macht: Seine Backflips – Rückwärtssaltos aus dem Stand, mit denen er seine kurzen Videos meist beendet.
Die Clips nimmt er in unterschiedlichen Städten und Ländern auf und scheint zuletzt auch viel in Ostasien unterwegs gewesen zu sein. Vor allem seine Videos aus Japan sind es jetzt, die polarisieren und ihm Kritik einbringen.
Belästigung in Japan
Wer schon einmal mit Japanern im Austausch war oder sich vor einer eigenen Japan-Reise mit den örtlichen Verhaltensregeln vertraut gemacht hat, der weiß: Japan ist ein Land der Höflichkeit, der Ordnung und der Ruhe. In der Öffentlichkeit zu essen oder sich die Nase zu putzen gilt als verpönt, auch wenn beides nirgends als Gesetz festgeschrieben ist. Laute Gespräche in der Öffentlichkeit sollten gemieden werden, erst recht im öffentlichen Nahverkehr. Handys sollen auf lautlos gestellt werden, so die Empfehlungen.
Dass jetzt ein Tourist, ein Influencer, diese Regeln für Klicks auf TikTok missachtet, sorgt für Empörung. „Streichbruder“ gilt als Skandaltourist, diverse andere TikToker warnen in ihren Videos davor, dass sein Verhalten weitreichende Konsequenzen haben könnte. Konkreter: Dass es die Beziehung zwischen Touristen und Japanern dauerhaft verschlechtern könnte, wie der TikToker „MisterKruger1“ mahnt. Ein anderer TikToker, „einfachjapanisch“, erklärt in seinem Video sogar, dass es mittlerweile einen Begriff für solche Menschen gibt: Meiwakukei-Influencer, was man mit „Influencer der Belästigungsart“ übersetzen könne.
Deutsche Botschaft reagiert
In Japan ist „Streichbruder“, der eigentlich Simon Both heißt, durch seine Videos mittlerweile kein Unbekannter mehr, er wurde schon in einigen japanischen Medien erwähnt. Auch die deutsche Botschaft in Japan hat, ohne sich konkret auf ihn zu beziehen, diese Woche auf X darauf hingewiesen, dass Japan-Besucherinnen und -Besucher sich als „verantwortungsbewusster Reisender“ geben und die Menschen und die Umwelt vor Ort respektieren sollen.
Influencer in Japan – eine Tradition
Dass sich Influencer und Internetpersönlichkeiten in Japan an der dort ruhigen Kultur reiben, ist schon seit einigen Jahren zu beobachten. Als prominentestes Beispiel gilt der Youtuber Logan Paul, der 2018 zuerst mit Videos aus Japan auffiel, in denen er sich bewusst über die respektvolle Kultur der Japaner lustig machte. Der große Skandal kam dann aber durch sein Video aus dem berühmten japanischen Selbstmord-Wald, wo er eine Leiche abfilmte.
2023 fiel der Streamer Johnny Somali in Osaka auf, weil er in eine Hotelbaustelle einbrach und anschließend festgenommen wurde.
Letztes Jahr musste sich ein japanisches Bahnunternehmen für entstandene Unannehmlichkeiten durch eine US-amerikanische Tanzgruppe entschuldigen, weil diese in den Zügen Videos drehte und die Passagiere störte.
Keine Touristen mehr erlaubt?
Die Sorge vieler TikTok-User unter den Videos von „Streichbruder“, dass sie jetzt wegen ihm nicht mehr nach Japan einreisen können, dürfte aber eher unbegründet sein. Was allerdings stimmt: Japan will seinen rapiden Tourismus-Boom eindämmen. 2024 hatte das Land fast 37 Millionen Besucher. Schon ab Mitte 2025 sind deswegen zum Beispiel Preiserhöhungen für hochfrequentierte Sehenswürdigkeiten geplant.