Würde man aus den Büchern, die von der Buchcommunity auf TikTok, also über #BookTok vorgestellt werden, einen literarischen Kanon der wichtigsten Werke zusammenstellen, dann käme man an einer Autorin sicherlich nicht vorbei: Taylor Jenkins Reid. Die US-Amerikanerin hat mit Büchern wie „Die sieben Leben der Evelyn Hugo“ oder „Daisy Jones & The Six“ Weltbestseller geschrieben, die vor allem von einem jungen, weiblichen Publikum gefeiert werden. Am Freitag ist mit „Atmosphere“ der neueste Roman von Taylor Jenkins Reid auf Deutsch erschienen – und das sogar vor dem englischen Original.
Taylor Jenkins Reid kreiert in ihren erfolgreichen Romanen fiktive Zeitkapseln, und darin erzählt sie dann popkulturelle Mythen, die auch wahr sein könnten. Das späte Coming-Out einer Film-Diva der Fünfziger à la Marilyn Monroe oder die Fleetwood-Mac-ähnliche On- und Off-Geschichte einer Band in den Sechzigerjahren. Vergangene Zeiten, neu erfunden mit dem Blick des Jetzt.
Verliebte Astronautin
Denn Reid lässt ambivalente und trotzdem starke Frauenfiguren mit ihren männerdominierten, heteronormativen Umgebungen und den gesellschaftlichen Tabus jener Zeiten brechen. Dabei denken ihre Protagonistinnen oft das, was Frauen des 21. Jahrhunderts denken würden – und genau damit scheint die Autorin gerade bei jungen Leserinnen einen Nerv zu treffen.
„Heutzutage scheint es ja zumindest so zu sein, dass alles möglich ist. Und ich glaube, dass das manchmal auch schwierig ist und junge Leute sich da etwas verloren fühlen. Und das ist vielleicht dann auch spannend, Geschichten aus anderen Zeiten zu lesen, wo das anders war“, sagt Babette Schröder. Sie übersetzt die Romane von Taylor Jenkins Reid ins Deutsche.
Im neuen Werk geht es um die fiktive Astronautin Joan Goodwin, die in den Achtzigern als eine der ersten Frauen ins Weltall fliegt, sich in einem noch deutlich homophoberen Umfeld in ihre Teamkollegin Vanessa Ford verliebt und später vom Boden aus live zugeschaltet ist, während ihre große, aber eben heimliche Liebe nach einem schwerwiegenden Unfall das beschädigte Space-Shuttle alleine zurück in die Erdatmosphäre steuern muss.
Fast wie ein Biopic – aber fiktiv
„Was, wenn Joan über die offene Funkverbindung sagen würde, was sie wirklich denkt? Was, wenn sie Vanessa alles sagen würde, was sie ihr so dringend sagen will? Auf den Telemetrie-Monitoren kann Joan sehen, dass Vanessa den ersten Schalter betätigt hat, um die Klappen der Ladebucht zu schließen“, heißt es etwa in „Atmosphere“.
„Diese technischen Dinge sind interessant. Die stören nicht beim Lesen oder nehmen der Dramatik der Geschichte nichts. Vielmehr versteht man am Ende halbwegs, wie so ein Raumschiff funktioniert und was es heißt, wenn da ein bestimmtes Teil ausfällt“, sagt Übersetzerin Babette Schröder.
Reid versucht so vermutlich daran anzuknüpfen, wofür sie ihre Fans feiern: eine Geschichte so quasi-authentisch zu erzählen, dass sie sich fast so liest, als würde man ein Biopic anschauen. Doch so fließend wie in ihren anderen Büchern funktioniert das diesmal nicht. Denn obwohl die Liebesgeschichte auf der einen Seite identifikationsstiftend und berührend ist und das Weltraumspektakel auf der anderen Seite Spannung aufbaut, schafft es Reid in „Atmosphere“ nicht, beides stimmig miteinander zu verweben.
Vorhersehbare Handlung
Liegt es an der fehlenden poppigen Ästhetik des Astronautinnen-Berufs? In den Momenten, in denen wir am nächsten an der Figur Joan und ihren Gefühlen dran sind, spielt das Astronautinnen-Milieu fast keine Rolle. Oder liegt es daran, dass Reid immer wieder in Erzählklischees rutscht, die das Schicksal der Figuren fast schon vorhersehbar machen?
Zum Sommerhit wird das Buch vermutlich trotzdem. Man greift schließlich gern zu Bewährtem. Doch schade, dass jener Roman, der die Atmosphäre im Titel trägt, nicht ganz so gut darin ist, eine eigene Atmosphäre spürbar zu machen.