Der Vatikan hält auch unter Papst Leo XIV. an einem traditionellen heteronormativen Beziehungsbild fest. Ein 40-seitiges Dokument, das der Vatikan am Dienstag veröffentlichte, trägt den Titel „Una Caro – Ein Loblied auf die Monogamie“. Es verteidigt den Charakter der Ehe als „exklusive Vereinigung“ von Mann und Frau und verurteilt die „vielen Formen ungesunden Verlangens“, zu denen der Vatikan auch polyamore Beziehungen zählt. Veröffentlicht wurde das Schreiben von der obersten Glaubensbehörde des Vatikans unter der Leitung von Kardinalpräfekt Víctor Manuel Fernández. Papst Leo XIV. billigte es.
In einer polyamoren Beziehung seien Partnerinnen und Partner nur „Mittel der Bedürfnisbefriedigung“. Solche Beziehungen mündeten „in verschiedene Ausprägungen von offener oder subtiler Gewalt, Unterdrückung, psychologischem Druck, Kontrolle und schließlich Ersticken“. Dabei handele es sich um „mangelnden Respekt und Ehrfurcht vor der Würde des anderen“, urteilt die Glaubensbehörde in ihrem Text. Bei der Präsentation stellte Víctor Manuel Fernández Polyamorie in den Kontext von Gewalt und wies auf den „Orange Day“ hin. Am 25. November wird in vielen Ländern mit Aktionen und Demonstrationen auf Gewalt gegen Frauen aufmerksam gemacht.
Schätzung: Fünf Prozent fühlen polyamor
Polyamorie bedeutet, dass Menschen gleichzeitig mehrere romantische Liebesbeziehungen führen können, alle Beteiligten davon wissen und einverstanden sind. Sie ist von Beziehungsmodellen wie der offenen Beziehung oder der Polygamie (mehrere Ehen) abzugrenzen. Während eine offene Beziehung meist sexuelle Freiheit außerhalb einer Partnerschaft meint, bezeichnet Polyamorie mehrere emotionale Beziehungen. Dabei haben polyamore Menschen nicht unbedingt mit mehreren Partnerinnen und Partnern auch sexuelle Beziehungen.
Ungefähr fünf Prozent der deutschen Gesamtbevölkerung zwischen 18 und 65 Lebensjahren empfinden polyamor, leben aber nicht in einem polyamoren Beziehungsmodell. Das schätzt Stefan Ossmann. Er hat an der Universität Wien seine Dissertation über Polyamorie geschrieben. Etwa 0,5 Prozent bis 1 Prozent lebten tatsächlich polyamor, würden dies aber meist verdeckt tun. In Deutschland wären das rund 250.000 bis 500.000 erwachsene Menschen bis zum 65. Lebensjahr.
Evangelische Kirche distanziert sich von Poly-Segnung
Die „Neue Osnabrücker Zeitung“ (NOZ) berichtete Anfang des Monats über eine Zeremonie, bei der die evangelische Pfarrerin Lena Müller im Sommer bei einem Festival für Pop-up-Segenshochzeiten vier Männer segnete, die miteinander eine polyamore Beziehung führen. Die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) hatte sich daraufhin öffentlich von der symbolischen Vermählung distanziert. Bei der Feier, die in Berlin-Kreuzberg stattgefunden hat, habe es sich aber nicht um eine kirchliche Trauung oder Hochzeit gehandelt, hieß es in einer Stellungnahme. Anfeindungen gegenüber der Pfarrerin kritisierte die EKBO aufs Schärfste.

