Eines muss man Bundeskulturstaatsminister Wolfram Weimer lassen: Er traut sich was. Gefragt, ob er nicht endlich Sitzpolster für die notorisch harten Stühle im Bayreuther Festspielhaus anregen könnte, antwortet er so unerschrocken wie augenzwinkernd: „Das wäre eine historische Leistung! Ich habe dort so viele Stunden auf harten Bänken verbracht. In meinen Fall: Ich bin ja bald zwei Meter groß, da ist auch die Sitzbreite ein Thema. Vielleicht ist das eine gute Initiative. Ich werde am Donnerstag Frau Wagner treffen und am Freitag bei der Premiere dabei sein, dann werde ich Ihren Vorschlag mal thematisieren.“
„Im nächsten Jahr großes Spektakel“
Beim Vorschlag wird’s wohl bleiben, denn Polster würden die legendäre Akustik des Festspielhauses beeinträchtigen, hieß es bisher immer. Bequeme Sitze dürften also eine Utopie bleiben. Nächstes Jahr feiern die Festspiele ihr 150. Jubiläum, da sollten eigentlich alle zehn festspieltauglichen Wagner-Opern gegeben werden, zusätzlich das Frühwerk „Rienzi“, das dort sonst nicht aufgeführt wird. Doch das Geld reichte nicht für derart glamouröse Jubelwochen. Drei Opern wurden gestrichen.
Das sei noch nicht das letzte Wort, so Weimer: „Ich bin da noch nicht am Ende der Geschichte. Nach dem, was ich höre, planen sie Großartiges. 150 Jahre Bayreuth, das ist so etwas Sensationelles, da sind jetzt alle gefordert, künstlerische Qualität, musikalische Exzellenz und organisatorischen Mut zu zeigen, damit wir da im nächsten Jahr ein großes Spektakel erleben können.“
„In mir hat Bayreuth einen Förderer“
Wenn es um die Finanzierung geht, streiten sich die Bayreuther Geldgeber, hauptsächlich der Freistaat Bayern und der Bund, aber auch der Bezirk Oberfranken und der Freundeskreis immer mal wieder über Details.
Wolfram Weimer bekennt sich jetzt zu einer aktiveren Rolle des Bundes: „Der Bund ist ja schon seit 1953 dabei und engagiert sich auch finanziell und trägt das mit. Das machen wir übrigens auch in diesem Jahr, da wird der Bund über vier Millionen Euro beitragen. Wir sind auch bereit, wenn man auf die Sanierung des Festspielhauses blickt, die ja eine teure Veranstaltung wird, unseren Anteil zu leisten. In mir hat Bayreuth jedenfalls einen Förderer.“
„Zurück zum Kernprodukt“
Während Amtsvorgängerin Claudia Roth auf Reformen in Bayreuth drängte, die Festspiele diverser und experimentierfreudiger aufgestellt sehen wollte, zeigt sich Weimer zufrieden mit der Bewahrung der Tradition.
Andere Komponisten auf dem Grünen Hügel zu würdigen, hält er für verzichtbar: „Ich habe Verständnis dafür, mit dem ‚Heiligen Gral‘ des Wagnerschen in Bayreuth zu arbeiten, der so faszinierend ist, dass er genug leuchtet. Es ist jetzt nicht nötig, da was anderes draus zu machen. Manchmal ist ja auch der Wahlspruch ‚Zurück zum Kernprodukt‘ die Lösung von Problemen.“
Weimer sieht sich selbst als „Wertkonservativen“, beruft sich aber gern auf Friedrich Schiller, wonach die Kunst eine „Tochter der Freiheit“ sei, ein Zitat aus dessen Werk „Über die ästhetische Erziehung des Menschen“ von 1793: „Mit dem Blick auf die künstlerische Freiheit bin ich doch sehr viel liberaler, und ich glaube, auch viele Opernbesucher. Ich mag schon auch das Experimentelle, auch die Provokation, weil es einen herausfordert, das Erlebte noch einmal zu überdenken, ein anderes Narrativ aufzumachen. Und wenn da Dinge vielleicht zu waghalsig sind, dann gehört das mit zur Freiheit der Kunst.“
„Fackel der Aufklärung hochhalten“
Als „Freiheitskämpfer“ will Weimer nicht bezeichnet werden, aber er sieht sich doch als Anwalt der Freiheit. So ist er dagegen, Nichtregierungsorganisationen (NGOs) staatlich zu subventionieren, weil dann „komische Gebilde“ entstünden, egal, wie „gut es gemeint“ sei und „in welche Richtung es gehe“: „Wenn der Staat anfängt, Demonstrationen zu finanzieren, dann ist das ganze Prinzip der Demokratie auf den Kopf gestellt.“
Solche Äußerungen dürften Wolfram Weimer noch viele Schlagzeilen einbringen, gelegentlich auch Beifall von der „falschen“ Seite: „Natürlich gibt es einen globalen Kulturkampf, und der ist freiheitsfeindlich, und deshalb müssen wir in Europa die Fackel der Aufklärung hochhalten, die Räume der Freiheit weiten, so, wie wir das in unserer kulturellen Tradition gewohnt sind.“