Die systematische Entrechtung der Juden
Hannah Brinkmann erzählt die Geschichte der Kindheit und Jugend von Ernst Grube in eindrücklichen Bildern, allesamt mit Bleistift gezeichnet und koloriert. Sie entstanden auf der Grundlage von vielen Begegnungen und Gesprächen. Zwischen den biographischen Szenen, die in ein jüdisches Kinderheim in München, aber auch in Sammellager und nach Theresienstadt führen: die deutschen Gesetzeserlasse zur systematischen Entrechtung der Juden, bebildert mit kantigen Linolschnitten auf rotem Grund, unter anderem die Grafik des Expressionismus zitierend.
„Das Menschenverachtende, Antisemitische, Diskriminierende war von Anfang an in den Erlassen und Gesetzen da“, erinnert Hannah Brinkmann. „Und jeder, der sich damit beschäftigt hat, jeder, der in dem System gelebt hat, hätte das sehen können. Da gibt es kein: ‚Wir wussten das nicht.‘ Das war alles öffentlich.“
Der NS-Richter und Karrierist Kurt Weber
Das umfangreiche Comic-Buch „Zeit heilt keine Wunden“ verbindet die Lebensgeschichte von Ernst Grube mit der des Juristen Kurt Weber. Die beiden sind sich 1959 vor dem Bundesgerichtshof in Karlsruhe begegnet: Weber – im Nationalsozialismus ein Karrierist ohne jeden Skrupel, NSDAP-Mitglied, nach 1945 weißgewaschen – verurteilte Ernst Grube wegen seiner Tätigkeit in der KPD und dem westlichen Ableger der DDR-Jugendorganisation FDJ zu einer einjährigen Haftstrafe.
Für Hannah Brinkmann ist der Jurist ein Symbolbild für jemanden, der im System einfach funktioniert habe. „Dadurch, dass er ein Opportunist und Karrierist ist, bleibt er ein Rädchen im System und hält es aufrecht. Er entscheidet sich immer weiter dagegen, in der Opposition zu sein. Diese Ambivalenz fand ich sehr spannend herauszuarbeiten. Weil er nicht der klassische Nazi ist, aber trotzdem Teil des Systems bleibt.“