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WirtschaftsRundschau > Nachrichten > Wirtschaft > #Faktenfuchs: Arbeitszeit im EU-Vergleich
Wirtschaft

#Faktenfuchs: Arbeitszeit im EU-Vergleich

Christin Freitag
Zuletzt aktualisert 10. Juni 2024 07:05
Von Christin Freitag
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7 min. Lesezeit
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„Das effektive Renteneintrittsalter ist relativ eindeutig messbar und dementsprechend würde ich auch sagen, dass man das international ganz gut vergleichen kann“, sagt Enzo Weber im Gespräch mit dem #Faktenfuchs. Der Wirtschaftswissenschaftler forscht am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB).

Inhaltsübersicht
Jahresarbeitszeit: Internationaler Vergleich ist schwierigErwartete Lebensarbeitszeit: Deutschland über EU-SchnittForscher errechnen Gesamt-LebensarbeitszeitGründe für das deutsche ArbeitszeitvolumenWochenarbeitszeit bei Vollzeit-Erwerbstätigen

Ein Beispiel zeigt aber, dass das Renteneintrittsalter allein keine umfassende Klarheit bringt: Ein Deutscher, der 2024 im Alter von 15 Jahren beginnt, halbtags zu arbeiten, geht mit 67 Jahren in Rente. Ein 15-jähriger Franzose, der auch ab 2024 Vollzeit arbeitet, hätte mit 41 Jahren bereits genauso viel gearbeitet wie der Deutsche beim Renteneintritt.

Jahresarbeitszeit: Internationaler Vergleich ist schwierig

Deswegen lohnt sich auch der Blick auf die Arbeitszeit der Erwerbstätigen, also die Personen, die mindestens eine Stunde pro Woche gegen Entgelt arbeiten. Hier gibt es Daten der OECD, bei denen die sogenannten durchschnittlichen Jahresarbeitsstunden pro Erwerbstätigem erhoben werden. Dabei sind Urlaub, Feiertage, Krankheitstage, Streiks oder Elternzeit herausgerechnet.

In dieser Statistik bildet Deutschland das Schlusslicht, ein deutscher Erwerbstätiger arbeitet durchschnittlich nämlich 1.341 Stunden (Stand 2022). Allerdings sind die Zahlen nicht gut für einen internationalen Vergleich zu einem bestimmten Zeitpunkt nutzbar. Darauf weisen sowohl die OECD selbst als auch Wirtschaftswissenschaftler Enzo Weber hin. Denn die OECD sammelt die Daten nicht selbst, sondern bündelt die jeweiligen nationalen Statistiken.

Weber sagt, die Erhebungen der einzelnen Länder, die die OECD verwendet, seien unterschiedlich: „Da gibt es verschiedene Befragungen, mit verschiedenem Aufbau, mit verschiedener Ausrichtung, mit verschiedener Detailtiefe. Da gibt es verschiedene Quellen, die eingehen, die Methoden unterscheiden sich.“ Bei Befragungen zur Arbeitszeit könne es auch sein, dass Menschen einfach mehr Stunden angeben, sagt Weber. Weil das sozial erwünschtes Verhalten sei. Der Vergleich der OECD-Jahresarbeitszeit sei eher für langfristige Trends sinnvoll.

Einen anderen Aspekt muss man bei diesem Vergleich ebenfalls mitdenken, sagt Enzo Weber: Das gesamte Arbeitszeitvolumen in Deutschland steigt, da immer mehr Menschen erwerbstätig sind. Da in Deutschland aber prozentual gesehen mehr Menschen als in anderen Ländern in Teilzeit arbeiten, sinkt die durchschnittliche Jahresarbeitszeit eines Erwerbstätigen.

Erwartete Lebensarbeitszeit: Deutschland über EU-Schnitt

Genau wie das Renteneintrittsalter belegt die Jahresarbeitszeit allein nichts. Schließlich könnte es sein, dass in anderen Ländern die Menschen erst später in ihrem Leben anfangen zu arbeiten oder länger arbeitssuchend sind als in Deutschland.

Die EU-Statistikbehörde Eurostat bietet einen Vergleich der EU-Länder. Unter der Bezeichnung „Dauer des Arbeitslebens“ werden die Jahre gezählt, die eine zum Erhebungszeitpunkt 15-jährige Person voraussichtlich im Laufe ihres Lebens arbeitet. Der EU-Durchschnitt lag 2023 bei 36,9 Jahren, hier liegt Deutschland darüber mit 39,6 Jahren. Acht andere EU-Länder sind aber weiter vorn, darunter die skandinavischen Staaten und ganz an der Spitze die Niederlande mit 43,7 Jahren.

Forscher errechnen Gesamt-Lebensarbeitszeit

Allerdings zeigt die „Dauer des Arbeitslebens“ nicht die Gesamtmenge, wie viel eine Person im Laufe ihres Lebens arbeitet. Nochmal ein Beispiel: Eine deutsche Frau beginnt mit 15 Jahren zu arbeiten, geht erst mit 75 Jahren in Rente, hat aber zeit ihres Lebens nur zehn Stunden pro Woche gearbeitet. Sie hat ein hohes Renteneintrittsalter und 60 Jahre lang gearbeitet. Ihre absolute Menge an Arbeitsstunden wäre aber genauso hoch wie bei 15 Jahren Vollzeitarbeit mit 40 Stunden pro Woche.

Ein Forscherteam vom Roman-Herzog-Institut versuchte im vergangenen Jahr, diese Gesamtarbeitszeit über ein gesamtes Leben hinweg zu berechnen. Dafür multiplizierten sie die Anzahl der gearbeiteten Stunden pro Jahr (OECD-Daten für 2022) mit der erwarteten Lebensarbeitszeit in Jahren (Eurostat-Daten für 2022). Damit ergab sich eine Gesamtanzahl von Arbeitsstunden für ein Arbeitsleben.

Allerdings weisen die Forscher darauf hin, dass die Aussagekraft der Rechnung nicht überschätzt werden dürfe. Denn die Vergleichbarkeit der beiden verwendeten Datensätze sei beschränkt und eher für Vergleiche im Zeitverlauf gedacht. „Es war nicht die Idee, zu sagen, das sind die exakten Lebensarbeitsstunden“, sagt Studienautor Dominik Enste im Gespräch mit dem #Faktenfuchs. Die Ergebnisse seien als „Schätzwerte zur Veranschaulichung zu verstehen“. Auch Enzo Weber vom IAB weist nochmal auf die schwierige Vergleichbarkeit der OECD-Daten zur Jahresarbeitszeit hin.

Nach dieser Schätzung arbeitet eine erwerbstätige Person in Deutschland im Durchschnitt über ihr gesamtes Arbeitsleben hinweg circa 52.000 Stunden. Nur ein EU-Staat, Luxemburg, kommt bei dieser Rechnung auf niedrigere Werte. Den höchsten Wert erreicht Estland mit circa 71.000 Stunden pro Erwerbstätigen. Das deutsche Ergebnis liegt vor allem an der niedrigen Zahl der Arbeitsstunden pro erwerbstätiger Person und pro Jahr.

Gründe für das deutsche Arbeitszeitvolumen

Laut Dominik Enste gibt es vor allem zwei Gründe für die so erhobene niedrige Jahresarbeitszeit. „Der eine ist, dass wir in den letzten Jahrzehnten eigentlich immer schon Produktivitätsfortschritt eingetauscht haben gegen Freizeit“, sagt er. Als Gegenbeispiel nennt er die USA, wo die Arbeitszeit deutlich höher sei, aber auch das Bruttoinlandsprodukt. Das heißt, dass laut Enste sich die Menschen in Deutschland tendenziell für mehr Freizeit als für mehr Einkommen entscheiden.

„Der zweite Grund ist eine relativ hohe Teilzeitquote“, sagt Enste. „Deutschland lag 2022 im EU-Vergleich mit einer Teilzeitquote von 27,9 Prozent auf Platz 3, was sich ebenfalls in der verhältnismäßig niedrigen durchschnittlichen Wochenarbeitszeit widerspiegelt“, schreibt zum Beispiel das Statistische Bundesamt. Insbesondere Frauen arbeiteten nach der Geburt eines Kindes eher wieder in Teilzeit, sagt Enste: „Entweder, weil es gar keine Kita-Plätze gibt oder aber weil es vielleicht auch der Wunsch ist, sich ein Stück weit selber um die Kindererziehung zu kümmern.“

Ein letzter Aspekt sei, dass in Deutschland ein hoher Prozentsatz der Menschen erwerbstätig sei. Damit könne man sich diese geringe Arbeitszeit der Einzelnen „leisten“, sagt Enste.

Wochenarbeitszeit bei Vollzeit-Erwerbstätigen

Enzo Weber vom IAB empfiehlt die Zahlen der „EU Labor Force Survey“ von Eurostat für den EU-Vergleich. „Das ist eine Befragung, die wirklich in allen Ländern sehr ähnlich ist und die sich dann auch auf die gleiche Kategorie von Beschäftigten bezieht.“ Dort werden die durchschnittlichen Wochenarbeitsstunden von Vollzeit-Erwerbstätigen erhoben.

Der EU-Durchschnitt lag 2023 bei 40,4 Stunden pro Woche. Deutschland lag mit 40,2 Stunden knapp darunter, auf einem Level mit Belgien und der Slowakei. „Das heißt, Vollzeitbeschäftigte in Deutschland arbeiten im EU-Vergleich weder besonders lang noch besonders kurz. Sondern die Arbeitszeit ist – ganz einfach und trivial – ganz normal“, sagt Weber.

 

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Christin Freitag ist eine erfahrene Wirtschaftsjournalistin und Analystin, die sich auf Finanzmärkte, Unternehmensstrategien und Wirtschaftspolitik spezialisiert hat. Mit über 10 Jahren Erfahrung liefert sie fundierte Analysen und tiefgehende Einblicke für die Leser der WirtschaftsRundschau.
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