In der Glasfabrik von Verallia in Neuburg an der Donau ist es nicht nur laut, sondern vor allem heiß. In den Schmelzöfen von der Größe von Einfamilienhäusern erreichen die Temperaturen um die 1.500 Grad, mehr als im Innern eines Vulkans. Nach Angaben des bayerischen Wirtschaftsministeriums erwirtschaftet die Glasindustrie im Freistaat mit 12.500 Beschäftigten einen Umsatz von rund 2,5 Milliarden Euro. Sie ist bisher vor allem auf riesige Mengen von Erdgas angewiesen.
Eine Herausforderung angesichts hoher Energiekosten. Politisch gewollt ist außerdem ein Umstieg auf klimafreundlichere Alternativen. Denkbar sei zum Beispiel Wasserstoff, heißt es bei Verallia, oder vollelektrische Schmelzwannen. Das sei aber klimapolitisch nur sinnvoll, wenn der Strom dafür aus regenerativen Quellen stamme. Solange es diese Alternativen nur bedingt gibt, heißt es für die Branche: Optimieren, wo es geht.
Jedes Prozent zählt
Eines der bekanntesten Branchenunternehmen in Bayern ist Zwiesel Glas. Die Firma aus dem Bayerischen Wald beschäftigt knapp 800 Mitarbeiter und sieht sich selbst als Weltmarktführer für Glaswaren in der gehobenen Gastronomie. Das Unternehmen hat bereits vor der jüngsten Energiekrise angefangen, seine Ofentechnik umzustellen. Während traditionelle Schmelzwannen laut Technikdirektor Nico Keilhofer vor allem mit Erdgas und Luft befeuert werden, setze man bei Zwiesel Glas reinen Sauerstoff ein. Das habe den Erdgas-Verbrauch um 30 Prozent gedrückt. Darüber hinaus habe man versucht, alle Prozesse im Betrieb durchzurechnen und dann zu optimieren. Denn angesichts der hohen Energieverbräuche sei hier jedes Prozent Ersparnis wertvoll.
Einer der wichtigsten Anbieter für solche Spar-Checks ist hierzulande Siemens. Für den Münchener Konzern ist die Automatisierung von Fabriken ein Kerngeschäft. Das Unternehmen hat inzwischen ein eigenes Spezialisten-Team für die Glasindustrie, das die Abläufe in den Fabriken in digitale Zwillinge verwandelt und dann per Software berechnen kann, wo noch Verbesserungspotential liegt.
Bayernweiter Zusammenschluss
Angesichts der Herausforderungen für die Glasindustrie hat Bayerns Staatsregierung in den vergangenen Jahren mehrere Initiativen auf den Weg gebracht, die die Zukunft der Branche sichern sollen. Dazu gehört vor allem die 2023 gegründete „Glas Allianz Bayern“, kurz GABy. (externer Link). Angedockt an das Bayerische Wissenschaftsministerium haben sich dort inzwischen rund 30 Unternehmen und Forschungseinrichtungen wie dem Anwenderzentrum für Glastechnologie in Spiegelau (TAZ) zusammengeschlossen, um sich über mögliche technische Fortschritte auszutauschen. So ging es beim jüngsten GABy-Kolloqium in Bayreuth um den möglichen Einsatz von Künstlicher Intelligenz, um die Glasherstellung noch einmal zu optimieren.
Vom Industriebetrieb zum Besuchermagneten
Aus Sicht vieler Glasbläser ist die Optimierung ihrer Produktion nicht der einzige Weg in die Zukunft. Die traditionellen Glas-Regionen wie der Bayerwald oder der Rennsteig in Oberfranken setzen mehr und mehr auf Tourismus, also zum Beispiel firmeneigene Besucherzentren, Glasmuseen und Fabrikverkäufe, um sich breiter aufzustellen. So lockt vor dem Werksgelände von Zwiesel Glas die weltgrößte Pyramide aus Kristallgläsern Touristen an.
Einen regelrechten Freizeitpark rund um die Glasbläserei im Bayerwald hat in den vergangenen Jahren das Familienunternehmen Joska in Bodenmais aufgebaut, mit Vorführungen von Glasbläsern und Graveuren, einem Kinderland, Restaurant, Wochenendveranstaltungen und einem riesigen Werksverkauf. Alina Kagerbauer, die seit dem Jahreswechsel zusammen mit ihrem Bruder Lennart und dem Gastronomie-Profi Thomas Walz die Geschäfte bei Joska führt, sagt, ohne solche touristischen Angebote würde das Unternehmen heute wohl nicht mehr bestehen. Ein ähnliches Tourismus-Projekt bauen derzeit die Stadt Waldsassen und die Glashütte Lamberts auf.