Die Industrie- und Handelskammer (IHK) in Passau rechnet damit, dass sich der Arbeits- und Fachkräftemangel vor allem in Niederbayern weiter verschärft. Das geht aus dem neuesten Arbeitsmarktradar hervor, den die IHK am Freitag veröffentlicht hat. Der Regierungsbezirk könnte Milliarden bei der Wertschöpfung verlieren.
Lücke wird immer größer
In den niederbayerischen Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft würden aktuell bereits 15.000 Arbeitskräfte fehlen. Diese Lücke werde sich bis zum Jahr 2027 auf 18.500 Kräfte vergrößern. Das entspricht einem Zuwachs von 23 Prozent innerhalb von nur drei Jahren, rechnet die IHK vor.
„Gerade in Niederbayern bekommt dieses Problem eine besondere Dynamik, hier reißt die Lücke noch schneller auf als im bayerischen Durchschnitt“, berichtet Alexander Schreiner, Hauptgeschäftsführer der IHK Niederbayern. Angebot und Nachfrage würden alleine schon aufgrund der demografischen Entwicklung immer weiter auseinanderklaffen. Aber auch der Trend in einer Großstadt zu studieren, statt Zuhause ein Handwerk zu erlernen, trägt seit Jahren zum Arbeitskräftemangel bei.
„Wir brauchen deutlich mehr junge Menschen in der Berufsausbildung als an den Hochschulen, denn das entspricht dem Bedarf in der Wirtschaft.“ Alexander Schreiner, IHK Niederbayern
Milliardenloch bei der Wertschöpfung
Die Folgen des steigenden Arbeitskräftemangels werden nach Schreiners Ansicht in Zukunft immer stärker spürbar – von mehr Schließtagen, etwa in der Gastronomie oder im Handel, über längere Wartezeiten bei Dienstleistungsunternehmen bis hin zu Produktionsrückgängen in der Industrie. Im Jahr 2027 gehen in Niederbayern fast zwei Milliarden Euro an Wertschöpfung verloren, allein aufgrund der Arbeitskräftelücke, rechnet der Hauptgeschäftsführer vor.
Die IHK selbst setze hier an: mit Kampagnen, Aufklärung und Berufsorientierung bei Schülern, Eltern, Lehrern oder auch Studienzweiflern, mit eigenen Aus- und Fortbildungsberatern für die niederbayerischen Betriebe, mit Personalnetzwerken, Messeauftritten, Fortbildungsangeboten oder gezielter Information zur beruflichen Aus- und Weiterbildung.
Rahmenbedingungen müssen sich ändern
Schreiner fordert von der Politik unter anderem eine schnellere und einfachere Zuwanderung von Fachkräften, bessere Strukturen für mehr Beschäftigung von Frauen und Älteren, die Aktivierung von Langzeitarbeitslosen sowie lohnsteuerliche Anpassungen, damit sich Arbeit länger und besser lohne.
Die neue „Chancenkarte“, mit der Fachkräfte aus dem Ausland auf dem deutschen Arbeitsmarkt Tritt fassen sollen, sieht der Fachmann kritisch: „In der Umsetzung werden dabei wieder aufwändige Verfahren aufgesetzt, die für Unsicherheit, lange Wartezeiten und noch mehr Bürokratie sorgen.“ Die Unternehmen sollten auch mehr Verantwortung bekommen: „Die wissen am besten, welche Kräfte sie brauchen und was sie für deren Integration in den Arbeitsmarkt leisten können“, so der IHK-Hauptgeschäftsführer.