Bisher galten Suchmaschinen wie Google im Internet als „Gatekeeper“: Sie entschieden, welche Seiten als Suchtreffer ganz oben besonders viel Aufmerksamkeit und Besucher bekamen. Denn die Nutzer klickten vor allem auf die Links, die in der Trefferliste ganz oben standen. Doch seit März bietet Google zusätzlich zu der Trefferliste eine KI-generierte Antwort direkt auf der Seite an, die die KI aus dem Inhalt unterschiedlicher Trefferseiten zusammenfasst.
KI-Antwort bei Suchen: Komfort mit Gefahr für den Inhalt
Das ist für viele Suchenden sehr komfortabel und spart Zeit, denn man muss nicht auf weitere Seiten surfen, um eine Antwort zu bekommen. Doch es gibt auch Nachteile: Die Zusammenfassung der KI gerade bei etwas komplexeren Themen kann Fehler enthalten und die Algorithmen der KI entscheiden über die Gewichtung und welche Aspekte einer Antwort zum Tragen kommen.
Fundamentale Erschütterung des bisherigen Geschäftsmodells
Noch tiefgreifender aber sind die Auswirkungen des KI-Angebots auf der Suchseite auf die bisherige Internet-Ökonomie. Denn Klicks und Besucher bedeuten für viele Seiten Werbeeinnahmen. Fallen die Klicks von vielen Nutzern weg, weil die Suchmaschine bereits die Antworten gibt, die man sonst auf den gefundenen Seiten bekommen hat, fallen auch deren Werbeeinnahmen weg.
Bereits nach wenigen Monaten werden jetzt die Folgen des KI-Antwort-Angebots deutlich. Nach Informationen des Handelsblatts zeigen Untersuchungen des Analyseunternehmens Similarweb, dass der klassische Deal „Inhalte gegen Reichweite“ zu kippen droht. Der Anteil der Nutzer, die nicht mehr auf einen weiterführenden Link klickt, sei teilweise um mehr als zehn Prozentpunkte gestiegen. Das bedeutet Millionen weniger an Zugriffen für die Seiten in der Trefferliste. So seien in den USA die Reichweiten vieler Nachrichtenportale eingebrochen, es gäbe erste Kündigungen.
Erste Entlassungen bei Content-Seiten
Damit droht aber nicht nur die bisherige Finanzierung von Content-Seiten wie Nachrichtenseiten zu kippen, sondern das Content-Angebot insgesamt. Denn welcher Verlag, welche Internetseite kann es sich leisten, hochwertige Inhalte zu erstellen, wenn dafür keine Einnahmen in Form von Reichweite und Werbung erzielt werden können. Insofern beginnt sich die KI gerade selbst die Grundlage ihrer Antworten zu entziehen.
Forderungen nach Schutz an die Politik
Vor diesem Hintergrund erhalten die Forderungen nach dem Schutz von Content zur Auswertung und dem Training von Künstlicher Intelligenz eine noch größere Brisanz. Dem drohenden Kollaps für Content-Ersteller könnte auch ein automatisches Bezahlsystem bei jedem Zugriff durch KI-Systeme entgegenwirken. Die Buchbranche hatte Anfang Mai eine entsprechende Initiative gestartet und entsprechende Forderungen an die Politik gerichtet, nachdem bekannt wurde, dass der Facebook-Mutterkonzern Meta die Piraterieplattform Library Genesis als Trainingsgrundlage für das KI-Modell LLaMA benutzt hatte.
Auch Branchenriesen unter Druck
Selbst Branchenriesen wie Google sollten daran ein Interesse haben, die Content-Ersteller entsprechend zu vergüten. Denn letztlich bedroht die KI auch das Konzept der Suchmaschine selbst. So reagiert Google mit der Antwort-KI seinerseits auf den Trend von immer mehr Nutzern, nicht eine Suchmaschine-Seite anzusurfen, sondern sich die Antwort direkt bei KI-Anbietern wie Chat GPT zu holen.
Die Google-Suchmaschine hat durch das bisherige Surf-Verhalten eine gewaltige Marktmacht und kann durch das KI-Angebot über Werbemaßnahmen auf den eigenen Seiten die Einnahmen zunächst schützen, eventuell sogar steigern. Doch es wäre in der Geschichte des Internets nicht das erste Mal, dass ein scheinbar unangreifbarer Platzhirsch innerhalb kürzester Zeit durch das Auftauchen neuer Angebote bedeutungslos wird.