Das Bürgergeld war schon im Wahlkampf ein Streitthema. Die Union forderte, es abzuschaffen. Doch damit war wohl der Begriff gemeint. Denn ein Existenzminimum steht jedem zu, der auf Hilfe angewiesen ist. Und darunter versteht das Bundesverfassungsgericht nicht nur Bett, Brot, Seife. Die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben gehört auch dazu.
Sanktionen in Grundsicherung werden verschärft
Das Bürgergeld wird laut Koalitionsvertrag nicht abgeschafft, es wird umbenannt in eine neue „Grundsicherung für Arbeitssuchende“. Und es soll „umgestaltet“ werden, mit verbindlichen Rechten und Pflichten für beide Seiten. Näheres muss noch im Gesetz dazu festgeschrieben werden. Aber mit dem Plan dürfte sich die neue Regierung in vielen Punkten verabschieden von dem, was jetzt noch geregelt ist: dem Kooperationsplan zum Beispiel. Der war als wenig zielführend und zu wenig verbindlich kritisiert worden.
Jede arbeitslose Person, die arbeiten könnte, muss sich aktiv um Beschäftigung bemühen. Und wenn sie das nicht tut? Dann drohen wie bisher Sanktionen. Die sollen „schneller, einfacher und unbürokratischer“ durchgesetzt werden, und zwar bis zum „vollständigen Leistungsentzug“. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes allerdings wird beachtet, weist der Koalitionsvertrag noch einmal auf das hin, was eigentlich selbstverständlich ist. Karlsruhe hatte in einem Urteil die Kürzung auf 30 Prozent beschränkt und ein Streichen auf Null nur im Ausnahmefall zugelassen.
Den Rotstift setzt die Koalition auch bei der Karenzzeit für Vermögen an. Das soll künftig gleich gegengerechnet werden, bis wohl auf einen Mindestbetrag. Unverhältnismäßig hohe Kosten für die Unterkunft werden nicht mehr so lange übernommen. Das dürfte in Regionen mit hohen Mieten noch zum Problem werden.
Vermitteln geht vor Qualifizieren
Was wieder eingeführt wird, ist der sogenannte „Vermittlungsvorrang“: Wenn ein annehmbares Jobangebot vorliegt, soll der Arbeitssuchende es auch annehmen, selbst wenn er zum Beispiel gerade weitergebildet wird. Dieser Punkt ist umstritten. Die Bundesagentur für Arbeit fürchtet, dass Betroffene nach wenigen Wochen Hilfstätigkeit wieder im Jobcenter erscheinen. Länger weiterbilden und dann erst vermitteln sei oft nachhaltiger.
Dafür jedoch müssen die Jobcenter mit genügend Geld ausgestattet werden. Die Grundsicherung zahlt der Staat. Sie ist keine Versicherungsleistung. Im Koalitionsvertrag wird die Kritik aufgenommen. „Wir wollen sicherstellen, dass die Jobcenter für die Eingliederung ausreichend Mittel zur Verfügung gestellt bekommen“. Das „Wollen“ steht im Koalitionsdeutsch aber für: unter Finanzierungsvorbehalt.
Mindestlohn soll auf 15 Euro steigen
Eindeutig bekennt sich Schwarz-Rot im Vertrag zum Mindestlohn. Die gesetzliche Lohnuntergrenze leiste einen Beitrag zu „stärkerer Kaufkraft und einer stabilen Binnennachfrage in Deutschland“. Das dürfte in der Wirtschaft nicht für Applaus sorgen. Einige Verbände fürchten, dass ein hoher Mindestlohn die Inflation anheizt, wenn Firmen das Plus weitergeben. Sie drohen: Das kostet Arbeitsplätze, ein Effekt, der seit Einführung kaum eingetreten ist.
Es hängt davon ab, wie stark der Mindestlohn angehoben wird, meint das Forschungsinstitut der Bundesagentur für Arbeit. Im Vertrag ist von einer Erhöhung auf 15 Euro in 2026 die Rede. Zurzeit liegt er bei 12,82 Euro. Auf die 15 Euro kommt man, wenn 60 Prozent des sogenannten Medianlohnes heranzogen werden, also des mittleren Lohnes aller Beschäftigten. Doch zuständig ist die Mindestlohnkommission aus Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden, wie der designierte Kanzler Friedrich Merz am Sonntag bekräftigte. Die entscheidet im Juni.
Arbeitszeiten sollen flexibler werden
Noch gilt per Gesetz in Deutschland ein höchstens 8-Stunden-Arbeitstag – mit wenigen Ausnahmen. Künftig soll eine wöchentliche statt tägliche Arbeitszeit gelten. Das hatten Arbeitgeberverbände seit Jahren gefordert. Auch der Koalitionsvertrag verweist hier auf die europäische Arbeitszeitrichtlinie mit höchstens 48 Stunden pro Woche – wobei immer sechs Tage gemeint sind. Der Samstag ist kein freier Tag – es sei denn, Tarifverträge regeln etwas anderes. Der Vertrag betont eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Also an einem Tag auch mal 12 Stunden arbeiten, am anderen entsprechend weniger.
Im Sondierungspapier war noch von Ruhezeiten zwischen zwei Arbeitseinsätzen die Rede – zurzeit sind das elf Stunden. Im Vertrag taucht das nicht mehr auf. Das alarmiert die Gewerkschaften. Wer mehr als vereinbart tätig ist, der soll künftig bei Überstunden steuerlich profitieren – aber nur bei den Zuschlägen auf Überstunden.