Eine Wachstumsinitiative soll die deutsche Wirtschaft wieder in Fahrt bringen. Ein Teil des Maßnahmenpakets, auf das sich Kanzler Scholz, Wirtschaftsminister Habeck und Finanzminister Lindner nach langen Verhandlungen geeinigt haben, sind strengere Regeln für Menschen, die Bürgergeld beziehen. Dadurch sollen mehr von ihnen dazu bewegt werden, eine Arbeit aufzunehmen. Doch längst nicht alle in der Ampelkoalition sind begeistert. Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Wie viel Arbeitsweg ist zumutbar?
Drei Stunden am Tag zu pendeln, halten die Ampelspitzen von SPD, Grünen und FDP für zumutbar – bei einer Arbeitszeit von mehr als sechs Stunden. Wer hingegen bis zu sechs Stunden arbeitet, soll etwas weniger Gesamtzeit bei Hin- und Rückfahrt in Kauf nehmen müssen, nämlich zweieinhalb Stunden. Generell soll das Jobcenter im Umkreis von 50 Kilometern rund um die Wohnung nach einem Arbeitsplatz für den Bürgergeldempfänger suchen.
All das muss noch konkret in einer Gesetzesänderung ausgearbeitet werden. Ausnahmen soll es zum Beispiel geben, wenn sich Menschen um Kinder oder pflegebedürftige Angehörige kümmern.
Wie sollen die Sanktionen verschärft werden?
Härtere Strafen soll es für Bürgergeldbezieher geben, die eine zumutbare Arbeit ablehnen, ebenso wie eine Ausbildung oder eine Eingliederungsmaßnahme, die unter anderem Langzeitarbeitslose wieder fit für den Arbeitsmarkt machen soll. Diesen Menschen soll das Bürgergeld mehr als bisher gekürzt werden – einheitlich um 30 Prozent für drei Monate.
Wie oft soll man sich beim Jobcenter melden müssen?
„Eine hohe, verbindliche Kontaktdichte zwischen Beziehern von Bürgergeld und Behörden ist wichtig für Vermittlungserfolge“, heißt es in einem Papier aus dem Finanzministerium, das unter anderem die geplanten Verschärfungen beim Bürgergeld zusammenfasst (externer Link).
Um den Vermittlungserfolg zu erhöhen, will die Ampel bestimmte Menschen dazu verpflichten, einmal pro Monat zur Behörde zu gehen und sich dort zu melden. Das soll nicht alle Bürgergeldempfänger betreffen, sondern nur die, die „kurzfristig dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen“. Ausgenommen sind demnach zum Beispiel Menschen, die sich um kleine Kinder kümmern müssen oder in Fortbildung sind.
Wie wird Schwarzarbeit bestraft?
Wer Bürgergeld bezieht und nebenher schwarzarbeitet, muss bald mit härteren Strafen rechnen. Wer erwischt wird, dem soll das Jobcenter die Bezüge für drei Monate um 30 Prozent kürzen können.
Allerdings muss dafür die Schwarzarbeit erstmal aufgedeckt werden. Um die Quote zu verbessern, will die Regierung Jobcenter verpflichten, Verdachtsfälle an den Zoll zu melden. Der Zoll ist für die Bekämpfung von Schwarzarbeit zuständig.
Schon jetzt gilt: Wer schwarzarbeitet, begeht je nach Ausmaß eine Ordnungswidrigkeit oder eine Straftat. Ein Bußgeld droht. Wer dabei Bürgergeld bezieht, begeht außerdem noch Sozialbetrug, der mit Freiheits- oder Geldstrafen geahndet werden kann.
Wann geht’s ans Schonvermögen?
Menschen sollen erstmal ihr eigenes Vermögen aufbrauchen, bevor sie Bürgergeld vom Staat bekommen. Allerdings gibt es ein Schonvermögen, das innerhalb einer Wartezeit nicht angetastet wird. Das Schonvermögen hatten die Ampel im Zuge der Bürgergeldreform auf 40.000 Euro erhöht. Für jede weitere Person im Haushalt werden zusätzlich 15.000 Euro dazugerechnet. Die Zeit, in der das Geld nicht angetastet wird, soll nach dem Willen der Ampelspitzen von jetzt zwölf auf sechs Monate verkürzt werden. Die Altersvorsorge ist davon aber ausgenommen.
Wie ist der Zeitplan?
Gerade sind die oben genannten Vorschlägen Ankündigungen aus dem Einigungspapier, das Scholz, Habeck und Lindner erarbeitet haben. Viele Fragen sind noch offen, vieles muss in Gesetze gegossen werden. Das wird dauern.
Das zuständige Bundesministerium für Arbeit will sich zu Details noch nicht äußern. Es verweist darauf, dass kommende Woche der Beschluss zum Haushalt im Bundeskabinett verabschiedet wird. Erst dann geht es an die konkrete Umsetzung, in der sich Details noch ändern können.
Welche Reaktionen gibt es?
Dass einiges in der Einigung noch nicht ganz konkret ausformuliert ist, betont auch SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert. Er zeigt sich skeptisch, wie groß die Wirkung der Änderungen beim Bürgergeld ausfallen dürfte. „Die Annahme, da säßen Hunderttausend faule Leute im Bürgergeld“ sei fachlich nicht richtig, sagt Kühnert im Morgenmagazin von ARD und ZDF.
Auch die Sozialpolitikerin Beate Müller-Gemmeke von den Grünen findet, dass die Maßnahmen „bei der Integration in Arbeit kein bisschen weiterhelfen“. Justizminister Marco Buschmann, FDP, hingegen lobt die geplanten Verschärfungen als „sozial gerecht“. Es dürften also noch kontroverse Debatten zu den Details folgen.
Bayerns Arbeitsministerin Ulrike Scharf (CSU) übt scharfe Kritik an den Bürgergeld-Plänen. „Diese Mini-Initiative ändert nichts daran, dass das Bürgergeld weiterhin fundamental seine Ziele verfehlt“, sagt Scharf. „Ich sehe nicht, wie Menschen damit schneller in Arbeit gebracht werden sollen. Die Jobcenter sind chronisch unterfinanziert. Eingliederungs- und Verwaltungsbudgets müssen dauerhaft erhöht werden, um die Arbeitsuchenden besser betreuen zu können.“ Beim Bürgergeld stehe der soziale Frieden unseres Landes auf dem Spiel, so Scharf.