Laut der aktuellen Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) haben rund 20 Prozent aller Erwerbstätigen direkt oder indirekt sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz erlebt. Mit 24 Prozent der beschäftigten Frauen, ist ihr Anteil wesentlich höher als der ihrer männlichen Kollegen. Bei den Männern sind es laut Studie 15 Prozent.
Etwa zwei Drittel der Beschäftigten erwarten bei Belästigungsvorwürfen eine entsprechende Reaktion von ihrem Betrieb, wobei Frauen ein deutlich geringeres Vertrauen in betriebliche Gegenmaßnahmen als Männer haben.
Sexuelle Belästigung in Betrieben vor allem unter Beschäftigten
Von den Betrieben hätten rund 13 Prozent mit 50 und mehr Beschäftigten von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz in den vergangenen zwei Jahren berichtet. Die meisten Fälle waren unter den Beschäftigten eines Betriebs (9,6 Prozent), gefolgt von Fällen, in denen die sexuelle Belästigung von Personen von außerhalb (4,8 Prozent), etwa Kunden, Geschäftspartnern und -partnerinnen, Patientinnen oder Patienten ausging. In etwa ein Prozent der Betriebe war demnach eine Führungskraft an einem Fall von sexueller Belästigung beteiligt.
Die Ergebnisse der Studie zeigen auch, dass Männer in Berufen, bei denen ein höherer Frauenanteil existiert, wie etwa im Gesundheits- und Sozialwesen, deutlich häufiger von sexueller Belästigung betroffen sind als in anderen Wirtschaftszweigen.
Viele negative Folgen für die Unternehmen
Fast drei Viertel aller befragten Betriebe (72 Prozent) mit mindestens einem Fall sexueller Belästigung, registrierten negative Auswirkungen auf den Betrieb. Dies betreffe vor allem die Arbeitsmoral und die Produktivität, aber auch höhere Abwesenheitszeiten und gestiegene Personalfluktuation.
„Gerade in Zeiten zunehmender Schwierigkeiten bei der Fachkräftesicherung und hohen Einstellungskosten machen diese betrieblichen Effekte die wirtschaftlichen Kosten sexueller Belästigung für Betriebe deutlich“, so IAB-Forscher Jonas Jessen. Und IAB-Forscherin Stefanie Wolter betont, dass ein „systematischer und präventiver Umgang mit sexueller Belästigung am Arbeitsplatz“ nicht nur „eine Frage des Arbeits- und Gesundheitsschutzes“ sei. Er diene auch, so die Forscherin „der betrieblichen Resilienz und der langfristigen Beschäftigtenbindung“.
Was ist sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz?
Die Studie stützt sich bei der Definition von Belästigung am Arbeitsplatz an der Definition der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (externer Link). Dort heißt es: „Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz ist jedes sexualisierte Verhalten, das von der betroffenen Person nicht erwünscht ist. Dazu zählen nicht nur verbale und physische Belästigungen, wie sexualisierte Sprüche oder unerwünschte Berührungen, sondern auch nonverbale Formen wie anzügliche Blicke oder das Zeigen pornografischer Bilder.“
Zwei deutschlandweite Befragungen als repräsentative Basis
Die Studie beruht nach Angaben des IAB auf Ergebnissen zweier Befragungen – dem Online-Panel for Labour Market Research (OPAL) und dem Linked Personnel Panel (LPP). Beim Online-Panel for Labour Market Research (OPAL) werden demnach seit Oktober 2023 Befragungen in der erwerbsfähigen Bevölkerung (ohne Beamte und Selbstständige) im Alter von 18 bis 65 Jahren drei bis vier Mal im Jahr durchgeführt. Die Befragungen fanden 2023 und 2024 statt.
Das Linked Personnel Panel (LPP) ist ein verknüpfter Datensatz, der die Betriebs- und Beschäftigtenperspektive miteinander verbinden soll. „In bisher sechs Befragungswellen seit 2012 wurden zunächst Personalverantwortliche in deutschen Betrieben des privaten Sektors mit einer Betriebsgröße ab 50 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten zu ihren Instrumenten des Personalmanagements, der Unternehmenskultur und der Zusammensetzung ihrer Belegschaft befragt, so das IAB. Die Studie kann unter diesem Link (externer Link) abgerufen werden.