Eine „hohe kriminelle Energie“ bescheinigt das Landesamt zur Bekämpfung der Finanzkriminalität in Nordrhein-Westfalen Influencern beim Steuerhinterziehen. Nach der Analyse eines Pakets mehrerer Social-Media-Plattformen mit 6.000 Datensätzen, das die Einnahmen von Nutzern offenlegt, schätzt die Behörde den Schaden auf 300 Millionen Euro. Auch in Bayern überprüft derzeit eine Spezialeinheit des Landesamts für Steuern ein solches Datenpaket, das sogar 9.000 Einträge enthält.
„Geplanter Schlag gegen Steuersünder“
Seit Inkrafttreten der EU-Richtlinie DAC 7 sind die Anbieter digitaler Plattformen verpflichtet, die Steuerbehörden jährlich über Transaktionen ihrer registrierten Verkäufer zu informieren. Erster Meldetermin dafür war der 31. Januar 2024. Nach diesem geplanten Schlag gegen Steuersünder sei erwartbar gewesen, dass die Behörden gegen säumige Influencer vorgehen werden, erklärt Max Hortmann im BR24-Interview. Der Steuerrechtsanwalt aus Frankfurt hatte die Branche im Vorfeld wiederholt vor möglichen Konsequenzen gewarnt. Nachdem jetzt bundesweit über das öffentlichkeitswirksame Vorpreschen der Steuerfahnder in Nordrhein-Westfalen berichtet wurde, hätten die Anfragen zu dem Thema in seiner Kanzlei extrem zugenommen, so Hortmann.
„Herz in die Hose gerutscht“
Obwohl sie in Steuerfragen mit professionellen Beratern zusammenarbeite, sei ihr – wie vermutlich jedem Content Creator – nach den Meldungen das Herz völlig in die Hose gerutscht, sagt Melina Hoischen. Die Münchnerin betreibt als MissHistory einen erfolgreichen Geschichtskanal mit über 300.000 Followern auf Instagram. Sie habe sich gefragt: „Habe ich alles richtig gemacht? An alles gedacht?“ beschreibt die 31-Jährige ihre Gefühle. Steuerhinterziehung sei kein Kavaliersdelikt, so die 31-Jährige im Interview mit BR24, deshalb sei es auch „total richtig“, dass die Behörden jetzt genau hinschauten. Andererseits erlebe sie als studierte Betriebswirtin das deutsche Steuersystem als unglaublich komplex. Wenn beispielsweise eine 16-Jährige einen erfolgreichen TikTok-Account habe, dann seien Fehler bei der Erklärung der Einkommenssteuer vermutlich eher auf Unwissen zurückzuführen als auf Vorsatz.
In Bayern 214 Millionen Euro auf dem Prüfstand
Die Spezialeinheit des Bayerischen Landesamtes für Steuern (LfSt) habe 2024 sowie 2025 sogenannte internationale Gruppenauskunftsersuchen an Internetplattformen gestellt, teilte die Behörde auf Nachfrage von BR24 mit. Um welche Anbieter es sich dabei handelt, erläutert das Landesamt nicht, Branchenkenner gehen aber davon aus, dass die Branchengrößen wie Instagram, YouTube und TikTok dazugehören. 60.000 Datensätze für ganz Deutschland hat das LfSt nach eigenen Angaben erhalten, 9.000 davon betreffen Bayern. Demnach zahlten die angefragten Unternehmen 214 Millionen Euro an bayerische Social-Media-Akteure aus. Inwieweit diese Einnahmen und Umsätze von den Steuerpflichtigen korrekt angegeben wurden, muss jetzt vor allem von den jeweils zuständigen Finanzämtern geprüft werden. Bis wann diese Überprüfung abgeschlossen werden könne, sei noch nicht absehbar, heißt es.
Aktuelle Summen nur „Spitze des Eisbergs“
Anwalt Max Hortmann aus Frankfurt ist überzeugt, dass es für diejenigen, die es bislang mit der Versteuerung ihrer Einnahmen nicht so genau genommen haben oder Umsätze bewusst verschwiegen, immer enger werden wird. Zum einen gebe es kleine Internetplattformen, bei denen die Steuerbehörden noch keine Auszahlungen abgefragt haben. Zum anderen tritt am 1. Januar 2026 schon die nächste EU-Richtlinie DAC8 in Kraft. Dann müssen auch Zahlungen mit Kryptogeldern offengelegt werden. Was jetzt an die Öffentlichkeit gelangt ist, ist aus Sicht Hortmanns deshalb nur die Spitze vom Eisberg. Als Anwalt könne er Betroffenen nur empfehlen, schnell fachlichen Rat zu suchen. Denn ab einer Summe von 50.000 Euro kann Steuerhinterziehern eine Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren drohen.