Die Trauben sind abgeerntet, die Blättern hängen noch rot und gelb an den Weinstöcken. Petra Ungemach und ihre Tochter Christin Glaser streifen durch ihre Weinreben in Nordheim in der Nähe von Würzburg. Seit 500 Jahren baut ihre Familie in Unterfranken Wein an. Eigentlich könnten sie zufrieden sein: Die Ernte für dieses Jahr ist geschafft. „Wir haben sehr schöne Jungweine im Keller“, sagt Petra Ungemach.
Die Deutschen kaufen immer weniger Wein
Aber es wird immer schwieriger, davon zu leben, sagt Christin Glaser: „Man merkt definitiv den sinkenden Absatz.“ Der ist laut dem Fränkischen Weinbauverband im vergangenen Jahr um sechs Prozent gesunken und der Rückgang hält schon mehrere Jahre an. Das trifft das kleine Familienunternehmen schwer. „Der Wein ist unser Herzblut, aber momentan blutet das Herz“, sagt Winzerin Petra Ungemach.
Einer der Gründe für die Absatzflaute: Die Deutschen trinken immer weniger Wein. Zuletzt laut der Verbrauchsstatistik des DWI im Durchschnitt 19 Liter pro Person und Jahr. Etwa drei Flaschen Wein weniger als noch vor knapp zehn Jahren. Petra Ungemach war in den Achtzigern fränkische Weinkönigin und hat sogar mit Bundeskanzler Helmut Kohl angestoßen. „Früher war ein Wein ein Kulturgetränk“, erinnert sie sich. Während man damals Geselligkeit und gute Laune mit dem Wein verbunden habe, stehe heute der Alkoholgehalt stärker im Vordergrund.
Dünger, Glasflaschen, Personalkosten: Weinanbau wird teurer
Der sinkende Weinkonsum ist nicht die einzige Herausforderung für die fränkischen Winzer. Auch der Weinanbau werde immer teurer, sagt Artur Steinmann, Präsident des Fränkischen Weinbauverbands. Gestiegen seien die Kosten für Glasflaschen, Pflanzenschutzmittel, Dünger und auch für Mitarbeitende wie Saisonarbeitskräfte. „Das Schwierige ist, dass wir diese Kosten momentan an den Verbraucher nicht weitergeben können“ sagt Steinmann.
Denn die Nachfrage sinkt nicht nur insgesamt, die Deutschen kaufen auch immer weniger heimischen Wein. 42 Prozent der verkauften Weinflaschen kommen laut DWI aus Deutschland. Ausländischer Wein ist oft günstiger, weil zum Beispiel die Personalkosten in anderen Ländern niedriger sind.
„Manche arbeiten praktisch für null“
Besonders schwierig ist die Lage für Winzer mit Steillagen: Die Bewirtschaftung ist aufwendig und dadurch teuer. „Manche arbeiten praktisch für null“, sagt der fränkische Weinpräsident Steinmann. „Aber wenn sie am Ende noch Geld mitbringen müssen, geht das zu weit.“ Auch reine Traubenproduzenten, die ihre Ernte an Genossenschaften liefern, geraten zunehmend unter Druck. Sie haben keinen Einfluss auf die Weinpreise und können ihren Verkauf auch nicht durch mehr Marketing ankurbeln.
Einige Winzer berichten dem BR, dass sie überlegen, ihre Weinstöcke zu roden. In Frankreich passiert das bereits. Ein Szenario, das auch auf Franken zukommt. „Wir werden Flächen aus der Produktion nehmen. Das ist ganz klar“, prophezeit Steinmann. Angebot und Nachfrage müssten wieder in Einklang gebracht werden.
Franken setzt auf Weintourismus
Trotzdem glaubt er, dass das Weinland Franken gut in die Zukunft kommen wird. Bereits seit 30 Jahren setzt die Region immer mehr auf Weintourismus. „Insofern haben wir eine Einkommensdiversifizierung, die uns helfen kann“, sagt Steinmann.
Ein Weg, den die Winzerin Julia Stühler aus Untereisenheim gegangen ist. Auch bei ihr ist die Ernte für dieses Jahr abgeschlossen. Im Weinkeller gärt in metallischen Fässern der junge Wein. Vor ihrer Karriere als Winzerin war sie Buchhalterin, 2008 hat sie zusammen mit ihrem Mann das Weingut übernommen. Schon da war ihr klar, dass sie stärker auf Vermarktung setzen will: „Was bringt es dir denn, wenn du die geilsten Weine hast und sie nicht verkaufen kannst?“ Deswegen hat ihre Familie das Weingut zur Eventlocation ausgebaut: ein moderner Bau mit viel Glas, viel Holz und Beton. Von der Terrasse aus schaut man direkt in die Weinberge.
Mit Leidenschaft durch schwierige Zeiten
Bei Julia Stühler kann man nicht nur gemütlich zusammensitzen, essen und feiern, sondern natürlich auch Weine probieren. Dabei zeigt die Winzerin ihren Gästen, welche Arbeitsschritte notwendig sind, damit der Wein so auf dem Tisch steht. „Wenn die Besucher dann aus dem Weinkeller hochkommen, dann wird der Wein mit anderen Augen gesehen und auch anders genossen“, sagt die Winzerin.
Nicht jeder Winzer kann oder will auf Tourismus setzen. Aber eins vereint doch viele, egal, wie schwierig die aktuelle Lage ist: „Die Euphorie für den eigentlichen Beruf, die ist einfach sehr, sehr tief“, sagt Christin Glaser, die Winzerin aus Nordheim. Und dafür lohne es sich zu kämpfen.