Ausflüge in andere Alpenregionen wie die Schweiz, Italien oder Österreich sind laut Landesbund für Vogel- und Naturschutz für Bartgeier ganz normal. Große Ausflüge, wie der von Bartgeier Vinzenz, hingegen seien aber eine Premiere. Erst im vergangenen Jahr wurde Bartgeier Vinzenz im Nationalpark Berchtesgaden ausgewildert – vergangene Woche begab er sich auf eine 1.600 Kilometer lange, riskante Reise in den Norden: Von den Alpen über die Niederlande bis nach Norddeutschland. Am Montagabend endete sein Ausflug.
Ein besonderer Vogel mit bewegter Geschichte
Mit einer Flügelspannweite von bis zu 2,90 Metern zählen Bartgeier zu den größten flugfähigen Vögeln der Welt. In den Alpen galt diese Gattung Anfang des 20. Jahrhunderts als vollständig ausgerottet. Seit 1986 werden junge Bartgeier im Rahmen eines großangelegten Zucht- und Auswilderungsprogramms gezielt in verschiedenen Alpenregionen ausgewildert – so auch im Nationalpark Berchtesgaden. Dort läuft das alpine Auswilderungsprojekt in Zusammenarbeit vom Landesbund für Vogel- und Naturschutz (LBV) und dem Nationalpark Berchtesgadener Land.
Das Ziel: Bartgeier dauerhaft in den Ostalpen zu etablieren, denn da sei die Unterstützung besonders gefragt – anders als in den West- und Zentralalpen geht hier die natürliche Reproduktion der Bartgeier noch schleppend voran.
Quer durch Deutschland bis an die Küste
Wie die Daten von Vinzenz‘ GPS-Tracker verraten, startete der junge Bartgeier vergangene Woche in der Bergregion um Garmisch und zog dann nach einem Abstecher in die Oberpfalz wieder nach Süden ab, um dann bei München den Weg in Richtung Nord-Westen einzuschlagen. Nach Angaben des LBV solle er unter anderem Heilbronn, Mannheim, Mainz und Dortmund überquert und schließlich nördlich von Nordhorn auch die Niederlande erreicht haben.
Dort zog seine Anwesenheit schnell die Aufmerksamkeit der Ornithologen-Szene auf sich: „Zahlreiche Vogelkundler dokumentierten seine Rastplätze und teils versammelten sich dutzende Birdwatcher gleichzeitig an den Bäumen, in denen Vinzenz seine Pausen auf dem Weg einlegte“, berichtet LBV- Projektleiter Toni Wegscheider. Vinzenz habe es, so Wegscheider, sogar in die niederländischen Nachrichten geschafft.
Gefährliche Reise
Auch wenn weite Erkundungsflüge für junge Bartgeier nicht völlig ungewöhnlich sind – Nachweise gebe es aus Polen, Großbritannien und eben auch den Niederlanden – stelle gerade die dichte Verteilung von Windkraftanlagen, insbesondere an den nördlichen Küsten, ein ernstzunehmendes Risiko dar, warnt der LBV. In früheren Fällen seien Bartgeier bereits bei „sehr ähnlichen Ausflügen“ tödlich verunglückt.
Umso wichtiger sei deshalb das nationale und internationale Netzwerk des LBVs. So konnte LBV-Projektleiter Wegscheider an fast jede Station von Vinzenz‘ Flug in Richtung Norden engagierte Fachleute lotsen, um ihn schnell wieder einzufangen.
Gezielte Fahndung dank GPS-Überwachung
Schlussendlich wurde Bartgeier Vinzenz so am Montagabend durch „den beherzten Einsatz zweier Greifvogelspezialisten“ in einem Gebüsch an einer Oldenburger Landstraße gefunden und eingefangen. Möglich machte dies die kontinuierliche GPS-Überwachung des Jungvogels.
Der erschöpfte Bartgeier wurde anschließend in eine auf Greifvögel spezialisierte Auffangstation gebracht. Eine erste Untersuchung ergab, dass der Vogel etwa zehn Prozent seines Körpergewichts verloren hatte. Darüber hinaus befand sich der junge Bartgeier in einem stabilen Zustand. Es sollen nun weitere medizinische Checks folgen – unter anderem auf mögliche Bleivergiftungen, die beispielsweise durch den Verzehr von mit bleihaltiger Munition geschossenen Wildresten verursacht werden können.
Rückkehr in die Alpen geplant
Sobald der Bartgeier wieder sein Normalgewicht erreicht und alle medizinischen Werte stabil sind, soll er in seinen ursprünglichen Lebensraum, das bayerische Alpengebiet, zurückkehren, kündigt Projektleiter Ulrich Brendel an. Der genaue Zeitpunkt und Ort der Rückführung werden derzeit mit den zuständigen Fachstellen abgestimmt.
Mit Information von dpa