Dass Kinder und Jugendliche an ADHS erkranken können, ist hinlänglich bekannt. ADHS ist aber nicht nur eine Kindheitsdiagnose, sondern begleitet auch gut 4,7 Prozent der Erwachsenen. Während das Bild des zappeligen Kindes bekannt ist, zeigt sich ADHS bei Erwachsenen oft subtiler – in Form von ständiger Unruhe, Impulsivität oder extremer Zerstreuung. Die Gedanken rasen von einem Thema zum nächsten, Aufgaben häufen sich, weil die Fähigkeit, Prioritäten zu setzen, fehlt, und selbst alltägliche Pflichten zu unüberwindbaren Hürden werden. Das Problem: Wer die Diagnose ADHS im Kindesalter nicht erhalten hat, weiß häufig gar nicht, wodurch das Chaos im Kopf entsteht.
Was ist ADHS?
ADHS steht für Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung. Es handelt sich um eine neurobiologische Entwicklungsstörung, die oft schon im Kindesalter auftritt und bis ins Erwachsenenalter fortbestehen kann. Menschen mit ADHS haben Schwierigkeiten, ihre Aufmerksamkeit und Impulsivität zu kontrollieren, was sich oft durch Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität und impulsives Verhalten äußert.
Wie aussagekräftig sind Selbsttests zum ADHS aus dem Internet?
Wer den Verdacht hat, ADHS zu haben, kann im Internet Selbsttests durchführen wie den der World Health Organization (WHO) (externer Link). Aber, so Prof. Gerd Schulte-Körne, Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie der LMU in München: „Die Selbsttests lassen keine Diagnosestellung zu. Es werden zwar verschiedene Bereiche der Steuerung des Verhaltens, der Regulation von Emotionen, Aufmerksamkeit und motorischer Aktivität erfragt. Jedoch können die Punktescores nur persönliche Belastungen in den Bereichen widerspiegeln. Diese sagen nichts darüber aus, ob eine Erkrankung vorliegt.“ Probleme mit Unruhe, Konzentration und Stimmung würden auch bei vielen anderen psychischen Belastungen und Erkrankungen auftreten.
Auch Prof. Oliver Pogarell, stellvertretender Direktor der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der LMU in München, ist der Überzeugung, dass diese Selbsttests vorschnell als diagnostische Instrumente herangezogen würden: „Es ist wichtig zu betonen, dass es sich hierbei um sogenannte Screening-Instrumente handelt, d. h. sie können Hinweise liefern, dass eine Aufmerksamkeits- oder Hyperaktivitätsstörung vorliegen könnte und eine professionelle Diagnostik erfolgen sollte.“
Wie geht man bei Verdacht auf ADHS vor?
Besteht der Verdacht auf ADHS, kann der Hausarzt die erste Anlaufstelle sein. Der kann dann auch an spezialisierte Praxen oder Einrichtungen weitervermitteln. Eine fachärztliche Untersuchung führen niedergelassene Psychiater und Psychotherapeuten durch, im Jugendalter Kinder- und Jugendpsychiater und -psychotherapeuten. Um die Belastungen von anderen Erkrankungen zu unterscheiden oder um spezifisch ADHS zu behandeln, sei eine umfangreichere Diagnostik notwendig, sagt Schulte-Körne. Dazu gehören eine internistische und neurologische Untersuchung sowie die genaue Erfassung der verschiedenen Symptombereiche. Bei Kindern und Jugendlichen sei der Einbezug der Eltern für die Diagnostik sehr wichtig sowie die Informationen über das Verhalten in der Schule und Freizeit.