Für die einen ist es die wichtigste Qualifikation für den Berufseinstieg, für die anderen entscheidet es, welcher Studiengang nach der Schule offensteht: das Abitur. Ein guter Schnitt mit einer 1 vor dem Komma soll der Goldstandard für die weitere akademische Laufbahn sein.
Schwierig für Unis, zwischen Bewerbern zu unterscheiden?
Der Deutsche Lehrerverband und die Union warnen jedoch angesichts einer wachsenden Zahl an 1er-Abschlüssen davor, dass dieser Standard aufgeweicht wird. Sie sprechen von einer „Flut an 1er-Abis“ oder einer „Noteninflation“.
Der Vorsitzende des Bayerischen Philologenverbands, des Lehrerverbands der Gymnasien, Michael Schwägerl, kritisiert, dass ein 1,0er-Abschluss nicht mehr viel wert sei, wenn ihn immer mehr Schüler schaffen. Dadurch werde es für die Universitäten schwieriger, zwischen den Bewerbern zu unterscheiden, und sie müssten andere Verfahren wählen, um die begrenzten Studienplätze zu vergeben. Schwägerl sagt: „Wenn alle eine gute Note haben, dann ist es keine mehr, denn dann sind alle gut. Das kann in einer Gesellschaft, in der Leistung eine große Rolle spielt, wo das Leistungsprinzip gilt, nicht funktionieren.“
Die Ursache liegt laut Schwägerl darin, dass sich die Prüfungsschwerpunkte verschoben haben, zum Beispiel durch eine stärkere Betonung mündlicher Leistungen. Auch die Berechnung der Noten habe sich über die Jahre verändert.
Realschullehrerverband: keine „Einserschwemme“ an Realschulen
Auch der Vorsitzende des Bayerischen Realschullehrerverbandes, Ulrich Babl, findet die Diskussion nachvollziehbar. Er sieht fundierte Hinweise darauf, dass die Anforderungen in den Gymnasien in den vergangenen Jahren gesunken seien. Laut einem Gutachten des Aktionsrats Bildung hätten sich die Abiturnoten verbessert, die fachlichen Qualifikationen der Abiturienten seien hingegen gleichgeblieben. Er sagt, eine „Einserschwemme“ gebe es an Realschulen nicht. Vor diesem Hintergrund sei es wichtig zu betonen, dass das Abitur zwar ein wichtiger, aber nicht der einzige erstrebenswerte Abschluss ist.
Deutlich mehr Einser-Abis – aber auch mehr schlechte Noten
Tatsächlich fällt auf, dass der Anteil der Schülerinnen und Schüler in Bayern, die das Abitur mit 1,0 bestehen, in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen ist. Nach Angaben der Konferenz der Kultusminister hatten im Schuljahr 2023/2024 3,1 Prozent der Abiturienten in Bayern einen Schnitt von 1,0. Im Vergleich zu den 2,2 Prozent 2018/2019 hat sich der Anteil damit um die Hälfte erhöht.