Ratten, die in engen Käfigen gehalten werden, aber auch Affen, Mäuse, Schafe, Meerschweinchen und Kaninchen: Knapp 1,7 Millionen Tiere wurden 2022 bei medizinischen Versuchen eingesetzt. Gegner von Tierversuchen sehen diese Experimente als Tierquälerei. Aber es gibt inzwischen auch Alternativen, um Tierversuche überflüssig zu machen oder das Leid der Tiere zu verringern. Darüber haben in Würzburg in dieser Woche 200 Wissenschaftler gesprochen.
Tierschutzpreis für Forscher
Den mit 80.000 Euro dotierten Ursula M. Händel-Tierschutzpreis erhielt ein Forscherteam aus Tübingen, das Gewebemodelle züchtet, um das Zusammenspiel menschlicher Organe zu simulieren. An diesen sogenannten Organ-on-Chip-Testsystemen lassen sich dann zum Beispiel Wirkstoffe für die Pharmaindustrie testen, um ihre Unbedenklichkeit zu zeigen.
An mehreren bayerischen Universitäten und Forschungsinstituten gibt es hoffnungsvolle Entdeckungen im Sinne des 3R-Prinzips, die zumindest einen Teil der Tierversuche überflüssig machen. Die drei „R“ stehen dabei für Replace (Vermeiden), Reduce (Verringern) und Refine (verbessern).
Künstliche Augenzellen aus dem Labor
Prof. Florian Groeber-Becker nimmt am Würzburger Fraunhofer Institut eine Probe von künstlich gezüchteten menschlichen Hornhautzellen aus dem Brutschrank und beträufelt sie mit einer Flüssigkeit. Danach misst er mit einem selbst entwickelten Gerät, ob die Augenzellen durch die Flüssigkeit angegriffen oder sogar zerstört werden. „Das Spannende an diesem Modell ist, man hätte auch eine Erholung gesehen, wenn eine minder toxische Flüssigkeit appliziert wurde“, sagt der Biologe.
Der Versuch ist als Draize-Eye-Test in vielen anderen Laboren ein Standardtest mit Labortieren, um zu überprüfen, ob ein neu entwickelter Stoff die Augen reizt oder nicht. Dabei wird die Flüssigkeit Kaninchen aufs Auge geträufelt, für die Tiere eine oft mindestens unangenehme Prozedur. Das Würzburger Experiment macht den Kaninchenversuch also überflüssig und ist mit den menschlichen Augenzellen dazu noch aussagekräftiger.
Mini-Organe als Modelle
Ganze Mini-Organe, sogenannte Organoide, können die Forscher inzwischen im Labor nachbilden, winzige Mini-Modelle von Herz, Leber, Lunge oder Darm. Kleine Zellklumpen, im Fall der Haut sogar mit Fett-Haarzellen. „Die Haarfolikel wachsen auch und man kann daran Testungen durchführen, zum Beispiel, ob ein Haarwachstumsmittel funktioniert oder eben nicht“, sagt Groeber-Becker.
Neue Methoden haben noch Grenzen
Die Würzburger Biologin Amelie Reigl hat ihre Doktorarbeit über die Weiterentwicklung der künstlichen Hautmodelle geschrieben. Bei der Konferenz in Würzburg tauschte sie sich mit anderen jungen Wissenschaftlern aus ganz Deutschland aus. „Das Thema Tierversuche reduzieren oder ganz vermeiden kommt immer mehr, auch im Sinne der Übertragbarkeit, weil tierische Daten oder Experimente natürlich nicht so gut übertragbar sind wie unsere menschlichen Hautmodelle“, sagt die Biologin.
Tierversuche ganz ersetzen können die neuen Methoden gerade bei komplexeren Problemen, die den gesamten Organismus betreffen, derzeit noch nicht. Aber die Suche nach Alternativen hat gerade erst angefangen.