Nirsevimab ist stabiler, hält sich deutlich länger im Blut und muss daher nur einmal gespritzt werden. Das sei ein Fortschritt mit entscheidendem Vorteil, sagt Tobias Tenenbaum, Chefarzt der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am Sana Klinikum Lichtenberg und Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie: „Für die Kinder ist das eine ganz große Erleichterung, weil sie dann nur einmal zum Kinderarzt müssen. Sie haben nur einen Besuch und nicht fünf.“
Studien zeigen: Gute Wirksamkeit, hohe Sicherheit
Vor der Empfehlung der RSV-Prophylaxe für alle Neugeborenen und Säuglinge hat die STIKO Nutzen, also etwa die Reduktion der Krankheitslast, und Risiken, wie Impf-Nebenwirkungen, gegeneinander abgewogen. Dafür haben die STIKO-Mitglieder auf besonders gut gemachte Studien geblickt. Also Studien, die randomisiert, verblindet und kontrolliert sind.
Das Ergebnis: Akute RSV-Infektionen der unteren Atemwege können durch eine Immunisierung mit Nirsevimab zu rund 80 Prozent verhindert werden, schreibt das RKI, wo die Expertengruppe der STIKO angesiedelt ist, im Juni 2024 in der Erläuterung der Impf-Empfehlung.
Weniger Krankenhausaufenthalte nach RSV-Prophylaxe
Das RKI hat außerdem auch Daten aus Ländern begutachtet, in denen die RSV-Prophylaxe mit dem weiterentwickelten Präparat Säuglingen bereits im vergangenen Jahr empfohlen wurde: in Luxemburg seit Juli 2023, in den USA seit August 2023, und in Spanien seit September 2023.
Die aussagekräftigsten Zahlen stammen aus Luxemburg, wo 2023 bereits 84 Prozent der Neugeborenen immunisiert wurden. Dort ging die Zahl der RSV-bedingten Krankenhausaufnahmen bei Säuglingen unter sechs Monaten deutlich zurück.
Auch die Kinderärzte, mit denen der #Faktenfuchs gesprochen hat, bewerten die Wirksamkeit von Nirsevimab insgesamt als gesichert und gut. Studien zufolge gab es dank der Immunisierung weniger Atemwegsinfektionen, die zu einem Arztbesuch führten, und auch in den ambulanten Kinderarztpraxen würden künftig wohl weniger Babys und kleine Kinder mit Atemwegserkrankungen Hilfe benötigen, sagt Tenenbaum dem #Faktenfuchs.
Auf die Qualität der in renommierten wissenschaftlichen Fachjournalen publizierten Studien sei Verlass, denn diese würden vor Veröffentlichung sorgfältig von unabhängigen Prüfern gecheckt, erklärt Rodeck: „Wenn es eine Studie ist, die keine gute Qualität hat, dann fällt das auf.“
Gute Verträglichkeit, wenige Nebenwirkungen
Die Teilnehmenden der Studien hätten die RSV-Antikörper gut vertragen, sagt Tenenbaum dem #Faktenfuchs:
„Diese Immunprophylaxe ist in sehr großen Studien auf Herz und Nieren geprüft worden, was die Sicherheit und Verträglichkeit angeht. Und in dieser doch relativ großen Studienpopulation konnten keine Sicherheitsbedenken festgestellt werden.“
So würden lediglich leichte Rötungen an der Einstichstelle oder Hautirritationen auftreten, schreibt auch das RKI.
Sehr seltene Nebenwirkungen können aufgrund der zu geringen Größe der Studienpopulationen zu diesem Zeitpunkt noch nicht erkannt werden, heißt es weiter im RKI-Bericht. Das bestätigt auch Tenenbaum, die Gefahr stuft er aber als gering ein: „Das ist bei solchen Medikamenten oder passiven Immunisierungen extrem unwahrscheinlich. Sie sind ja vom Grundprinzip her auch schon viele Jahre erprobt.“
Immunisierung kurz nach Geburt ist sicher
Manche Userinnen und User befürchten, dass der Zeitpunkt der RSV-Immunisierung zu früh und damit gefährlich sei. Burkhard Rodeck hält diese Sorge für nicht begründet.
Weil Babys in ihren ersten sechs Lebensmonaten besonders gefährdet sind, schwer an RSV zu erkranken, sollen künftig Neugeborene, die während der RSV-Saison zwischen Oktober und März geboren werden, laut STIKO-Empfehlung „möglichst rasch nach der Geburt“ mit dem Antikörper Nirsevimab immunisiert werden.
Die Kinder würden im Mutterleib aber ohnehin schon eine immunologische Abwehr aufbauen, erklärt Rodeck. Über die Mutter, die sich mit Krankheitserregern auseinandersetzen muss, bekommen sie über die Gebärmutter Antikörper und werden mit einem sogenannten Nestschutz, also mit den Antikörpern im Blut, geboren. Der RSV-Antikörper Nirsevimab sei im Prinzip nichts Neues, sagt Rodeck:
„Das heißt, sie kennen diese Art und Weise, wie man Fremdantikörper bekommt, schon längst. Und wenn jetzt ein Antikörper direkt nach der Geburt dazu kommt, dann ist es ein Antikörper mehr, der aber jetzt grundsätzlich nicht anders zu werten ist als das, was im Mutterleib schon passiert.“
Auch Tenenbaum sieht den Zeitpunkt der Immunisierung nach der Geburt unkritisch. Es brauche keine besondere Reife oder Vorbereitung des kindlichen Immunsystems vor der Gabe von Antikörpern und die Injektion habe keinen Einfluss auf die Weiterentwicklung des Kindes. Das Prinzip der Antikörperprophylaxe sei außerdem lange erprobt:
„Wir kennen auch schon zum Beispiel Kinder, die bei Hepatitis-B-erkrankten Müttern zur Welt kommen. Die bekommen auch eine sogenannte Immunprophylaxe direkt nach der Geburt und die haben das auch sehr gut vertragen. Diese Art von Immunprophylaxe gibt es schon seit Jahrzehnten. Und da gab es auch keine Sicherheitssignale, dass es ein Problem ist.“