Auch Veronika Grimm, die als eine der fünf Wirtschaftsweisen die gesamtwirtschaftliche Entwicklung Deutschlands analysiert, sieht hier Bedarf. Ihrer Meinung nach müssen wirtschaftliche Rahmenbedingungen für Unternehmen attraktiver gemacht werden, beispielsweise durch Steuerentlastungen oder Fachkräfteverfügbarkeit.
Die FDP und Finanzminister Christian Lindner gehen noch einen Schritt weiter. Sie haben einen 12-Punkte-Plan vorgestellt, mit dem sie die Wirtschaftswende vorantreiben wollen. Der Plan sieht unter anderem eine Reform des Bürgergelds, steuerliche Vorteile für Überstunden, den Wegfall des Solidaritätszuschlags und die Abschaffung der Rente mit 63 vor. Die Wirtschaft soll vorangebracht werden – auf Kosten der Sozialpolitik, kritisieren unter anderem die Koalitionspartner SPD und die Grünen.
„Das Geld, was an den Staat geht, das fehlt im Betrieb“
Mittlerweile müssen sich immer mehr mittelständische Unternehmen – egal ob Bäcker, Dachdecker oder Industriebetrieb – Gedanken dazu machen, wie sie in Zukunft weiterhin gut wirtschaften können. Denn: „Deutschland ist ein Hochsteuerland und das heißt: das Geld, was in Steuern, also an Abgaben an den Staat geht, das fehlt natürlich im Betrieb“, so DMB-Vertreter Bianchi. Investitionen in die Digitalisierung oder in die Energiewende werden deswegen hintangestellt. Und das, obwohl der Wille zum Wandel da wäre.
Um weiterhin gut wirtschaften zu können, denken einige mittelständische Unternehmen deswegen darüber nach, zumindest Teile ihrer Produktion ins Ausland zu verlagern. „Das geht aber auch nicht zwingend zulasten der inländischen [Standorte]. Aber eine gewisse Tendenz gibt es eben schon“, sagt der Projektleiter am Institut für Mittelstandsforschung Bonn, Hans-Jürgen Wolter.
Bürokratie für alle
Zu den finanziellen Belastungen kommen die bürokratischen Anforderungen, die gleichermaßen an jedes mittelständische Unternehmen gestellt werden. Egal wie groß oder klein der Betrieb auch ist: „Da müssen Sie den Mittelständler im Vergleich zum Großunternehmer sehen. Der hat eine Fachabteilung, der hat Juristen, die sich das anschauen und darauf reagieren können. Gerade in kleinen Unternehmen bleibt das oft am Geschäftsführer selbst hängen. Und der hat natürlich nur sehr begrenzte Kapazitäten“, erklärt Mittelstandsforscher Wolter.
Das eigentliche Problem: Der Fachkräftemangel
Das dringlichste Problem sind am Ende aber weder die hohen Kosten, noch die viele Bürokratie oder die Planungsunsicherheit. Am meisten leiden die mittelständischen Unternehmen darunter, dass sie keine qualifizierten Fachkräfte finden können. Ganz besonders leiden dabei die Mittelständler in ländlichen Gegenden.
Weil sie in Deutschland nicht die richtigen Leute finden, schauen sich mittelständische Betriebe dann im Ausland um. Wenn hier die Voraussetzungen stimmen, dann werden Produktionsstandorte verlagert, so wie es beispielsweise das Familienunternehmen Miele vorhat. Der Mittelstand geht also nicht zugrunde, er verlässt aber das Land: „Viele verlagern dann ihre Aktivitäten, und das muss uns als Land natürlich Sorgen machen“, sagt Wirtschaftsweise Grimm.
Was, wenn Deutschland den Mittelstand verliert?
Der Fortbestand des Mittelstandes betrifft am Ende nicht nur die Wirtschaft, sondern die gesamte deutsche Gesellschaft. Ganz konkret würde eine Stagnation – also ein Stillstand im deutschen Mittelstand – auch dazu führen, dass weniger Steuereinnahmen zur Verfügung stünden, so Veronika Grimm. In der Politik würden diese fehlenden Steuereinnahmen dann zu härteren Verteilungskämpfen um öffentliche Ausgaben führen. Die wirtschaftliche Lage des Landes würde dann wieder und viel weitreichender die verfügbaren Steuern für beispielsweise Sozialausgaben beeinflussen.
Die Abwanderung der mittelständischen Unternehmen beeinflusst aber nicht nur das Wirtschaftswachstum in Deutschland, sondern hat auch andere weitreichende Folgen: „Da dürfte auch die politische Stimmung und der Extremismus stärker ausgeprägt werden“, sagt Veronika Grimm.
Viele Herausforderungen, aber noch nicht das Ende
Bei allen Herausforderungen, denen sich der Mittelstand aktuell stellen muss – am Ende ist er noch nicht. „Also ich denke, dass letzten Endes der Standort doch nicht so schlecht ist, wie er oft gemacht wird. Ja, hier gibt es Probleme mit den Energiepreisen. Ja, die steuerliche Belastung ist relativ hoch. Aber es gibt natürlich auch durchaus erhebliche Vorteile. Hier hat man noch eine ganz andere Rechtssicherheit wie in manchen anderen Staaten, wo das nicht unbedingt gegeben ist“, so Hans-Jürgen Wolter vom Institut für Mittelstandsforschung.