Münchner Hausärzte verzeichnen Anfang Oktober einen deutlichen Anstieg von Patientinnen und Patienten mit Atemwegsinfekten. Viele haben sich beim Feiern auf dem Oktoberfest angesteckt. „Wie bestellt kommt dann der Wiesn-Schnupfen“ betont Dr. Oliver Abbushi, Münchner Bezirksvorsitzender des Bayerischen Hausärztinnen und Hausärzteverbands: „Auch wir als Praxisteam hatten einen schönen Wiesntag, prompt waren danach mehrere Kollegen krank.“ Bei Testungen geschwächter und vorerkrankter Personen zeigten sich vor allem Infektionen mit SARS-Cov-2, dem Coronavirus, in Einzelfällen auch eine Influenza-Grippe.
Tröpfcheninfektionen verbreiten sich im Bierzelt
Bei der Wiesn-Gaudi in dampfigen Bierzelten werden die Erkältungsviren über Aerosole übertragen, also Tröpfchen in der Atemluft. Im Trubel ist es laut, beim Singen und Reden werden die Schleimhäute gereizt und bieten eine Angriffsfläche für die Krankheitserreger. Der Alkoholkonsum schwächt die Immunabwehr.
Dass in München jetzt deutlich mehr Viren zirkulieren als Mitte September, überrascht deshalb auch Dr. Andreas Wieser von der Universität München nicht. Seit 2022 untersucht er im Team des LMU-Instituts „Infektions- und Tropenmedizin“ das Abwasser der Landeshauptstadt auf Krankheitserreger. Dr. Wieser: „Wir haben in diesem Jahr gesehen, dass relativ viel SARS-CoV-2 aufgetreten ist, mehr als beispielsweise im letzten Jahr. Wir haben kein Respiratorische Synzytial-Virus (RSV) gemessen, aber eben mehr Adeno- und Rhinoviren, die hier die Welle gemacht haben.“
Das regelmäßige Abwassermonitoring hilft den Infektiologen, gefährliche Krankheitswellen frühzeitig zu erkennen, weil dieses Verfahren alle wichtigen Erreger, wie Influenzaviren, Sars-Cov2 und RSV, erfasst, unabhängig davon, wie schwer die Symptome bei den Erkrankten sind. Deshalb ist das Bild über die allgemeine Virenaktivität umfassender als Testergebnisse von Patienten.
„Wiesn-Grippe“ ist ein Sammelbegriff für Erkältungsviren
Prof. Dr. Christoph Spinner vom TUM-Universitätsklinikum rechts der Isar in München erklärt, die Zahl schwer verlaufender Atemwegserkrankungen sei eine Woche nach dem Oktoberfest insgesamt gering, „Im Moment werden die meisten Atemwegsinfektionen von harmloseren Rhino-Viren ausgelöst. Auch Sars-Cov-2 nimmt zu, wobei jetzt mit Blick auf den kommenden Herbst und Wintermonate mit einem Anstieg zu rechnen ist.“ Der umgangssprachliche Sammelbegriff der „Wiesn-Grippe“ umfasst dabei verschiedene Erregertypen, die aktuell eher harmlose Symptome wie Schnupfen, Halsentzündung oder leichte Bronchitis auslösen. Sie können oft ohne Arztbesuch auskuriert werden. Laut Spinner ist die „Wiesn-Grippe“ ein typisches Herbstphänomen in der Münchner Region und fällt zusammen mit dem Start der saisonalen Erkältungs- und Grippesaison. Die Influenza-Virusgrippe erreicht ihren Höhepunkt in der Regel immer zum Jahreswechsel, nach den Weihnachtsfeiertagen und im Januar.
Bundesweiter Anstieg der Infektionszahlen
Seit September verzeichnet die Statistik des Robert-Koch-Instituts (RKI) einen Trend: Jahreszeitlich bedingt kommt es zum Anstieg der Atemwegsinfektionen, in dieser Woche zeigt die RKI-Statistik auch eine zunehmende Corona-Aktivität. Die Zahl schwer verlaufender Atemwegserkrankungen ist dabei insgesamt sehr niedrig. Durch den Feiertag am 3. Oktober könnten die Werte zwar stärker schwanken und sich nachträglich noch verändern, aber auf eine deutlich frühere Grippewelle, die es in der Vergangenheit durchaus in Bayern gab, finden sich derzeit keine Anzeichen. Andreas Wieser von der Universität München rät deshalb besonders älteren Menschen und Personen mit Vorerkrankung oder geschwächtem Immunsystem zur Grippe- und Corona-Impfung.
Virenmix erzeugt keine „spezielle“ Grippevariante
Das Abwassermonitoring der LMU entdeckt zwar während und nach dem Oktoberfest deutlich mehr und auch exotische Viren als üblich, vermutlich weil sie Reiserückkehrer nach den Sommerferien und Touristen aus dem Ausland mitgebracht haben. Aber ein spezielles Wiesn-Virus existiert nicht – und Infektiologen betonen, obwohl Viren mutieren können, entwickelt sich kein gefährlicher neuer Erreger innerhalb der kurzen Oktoberfestzeit. Eine besondere „Wiesn-Grippe“ gibt es deshalb auch in Zukunft nicht.