Erst vor zwei Wochen hat eine Wildtierkamera unweit der Grenze zum Oberallgäu auf österreichischer Seite wieder einen jungen Bären erfasst. Er stammt mit größter Wahrscheinlichkeit aus der Bärenpopulation im italienischen Trentino. Und nach den Erfahrungen der letzten Jahre wird er nicht der einzige sein oder bleiben.
„Initiative Braunbär“ will Vorbereitungen treffen
Nachdem im April vorigen Jahres ein 26-jähriger Jogger im Val di Sole von Braunbärin Gaia – auch bekannt als JJ4 – getötet worden war, ist die Sensibilität für Bärenbegegnungen auch in Bayern enorm gewachsen. Gaia ist die Schwester des 2006 in Bayern erschossenen Braunbären Bruno. Vertreter der Alpenlandkreise wollen jetzt eine gemeinsame Strategie entwickeln, um vorbereitet zu sein, wenn wieder junge Bären nach Bayern kommen. Der „Initiative Braunbär“ gehören Vertreter der Landkreise, Experten aus Politik, Alp- und Almwirtschaft sowie ein Südtiroler Experte an. Alle treffen sich Mitte Juni im Landratsamt Oberallgäu in Sonthofen, um ein gemeinsames Vorgehen zu besprechen.
Wanderschaft führt nicht zum Ziel
Junge männliche Bären trennen sich mit zwei bis zweieinhalb Jahren von ihrer Familie und gehen auf Wanderschaft, um ein Weibchen zu finden. Von der großen Bärenpopulation im Trentino wandern deshalb viele Richtung Norden über die Berge nach Österreich und in die Schweiz, aber eben auch bis in die bayerischen Alpenlandkreise. Nachdem die jungen Bärinnen aber nicht fortgehen, sondern in der Nähe ihrer Familie bleiben, ist die Wanderschaft der jungen männlichen Bären fruchtlos. Sie kehren nach einer gewissen Zeit auch wieder ins Trentino zurück.
Junge Bären werden oft zu Schadbären
Während ihrer Wanderschaft können die Bären allerdings zum Teil erhebliche Schäden anrichten. Immer wieder haben diese Jungtiere in der Vergangenheit Schafe oder auch andere Weidetiere gerissen und vereinzelt Bienenstöcke zerlegt. Anders als Bruno halten sie sich aber in aller Regel fern von Menschen oder menschlichen Siedlungen. Der Bär sieht Menschen nicht als Beute. Deswegen meidet er menschliche Nähe oder wendet sich im Fall einer Begegnung sogar ab, solange er keine Bedrohung verspürt.
Bärin Gaia kommt im Herbst nach Deutschland
Der Vorfall mit dem tödlich verletzten Jogger war allerdings ein Präzedenzfall, der die Debatte um die Rückkehr der Bären in den Alpenraum grundsätzlich neu aufflammen ließ. Gaia, bzw. JJ4, die den Jogger getötet hat, kommt nach einer Entscheidung der italienischen Forstbehörden in den „Alternativen Wolf- und Bärenpark Schwarzwald“.
Vorausgegangen war eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Trento (Trient), wonach Gaia weder erschossen noch freigelassen werden darf. Die deutsche „Stiftung für Bären“, die den Wildtierpark in Bad Rippoldsau-Schapbach im baden-württembergischen Landkreis Freudenstadt betreibt, hat sich angeboten, die Bärin aufzunehmen. Die Organisation ist seit Längerem vermittelnd zwischen den verschiedenen „Parteien“ im Bärenstreit des Trentino tätig und sieht die Unterbringung im Schwarzwald als das „kleinste Übel“ für die wilde Bärin an.
Mensch und Bär dicht aufeinander
Die Geschichte der Bärenansiedlung im Trentino begann Anfang der 2000er-Jahre. Bären galten dort als ausgestorben und wurden dann in einem der größten Auswilderungsprojekte der letzten Jahre in Norditalien wieder heimisch. Zunächst verlief das Projekt friedlich. Doch mittlerweile gibt es weit über 100 Bären in der Region, nirgendwo sonst in Europa leben Mensch und Bär so dicht aufeinander. Das hat Folgen. Die Konflikte nehmen deutlich zu.
Im Jahr 2006 zog mit Bruno der erste Bär seit 170 Jahren auch nach Bayern. Schafe und Rinder waren seine Beute, doch das wollten die Almbauern nicht hinnehmen. Noch ernster wurde die Lage, als Bruno in Siedlungen auftauchte und Touristen ihm in den bayerischen Wandergebieten regelrecht nachstellten. Bruno wurde nach einer spektakulären Jagd erschossen. Tierschützer waren empört.
Schwarzwälder Bärenpark zunächst skeptisch
Brunos Schwester Gaia lebte einige Jahre sehr unauffällig im Trentino. Doch im vergangenen Jahr begegnete sie dem jungen Jogger, der sich offenbar gegen die Bärin zu wehren versuchte und das mit dem Leben bezahlte. Wildexperten beklagten immer wieder, dass über das richtige Verhalten bei der Begegnung mit einem Bären zu wenig bekannt sei. Sie fordern mehr Informationen dazu.
Nach dem Tod des Joggers Andrea Papi wollten Forstexperten den Bären entnehmen, also abschießen. Das jedoch wurde nach Einsprüchen von Tierschützern gerichtlich untersagt. Freigelassen werden durfte Gaia nach dem Vorfall aber auch nicht. Nun ist die Entscheidung gefallen, Gaia im Schwarzwälder Bärenpark aufzunehmen. Obwohl sich dessen Geschäftsführer Bernd Nonnenmacher in der Dokumentation „Gefährlich nah“ noch skeptisch darüber äußerte, einen Bären aus der freien Wildbahn einzusperren.
Gaia kommt zu ihrer Mutter Jurka
Auch Gaias Mutter Jurka lebt seit 2010 im „Alternativen Wolf- und Bärenpark Schwarzwald“ – Gaia wird also einen Teil ihrer Familie wiedertreffen. Wann genau die Anlage für Gaia fertiggestellt ist, konnten die Verantwortlichen des Bärenparks noch nicht sagen.
Die ARD-Dokumentation „Gefährlich nah“ zeigt das Bärenleben im Trentino in tollen Naturbildern, schildert aber auch die Probleme in der Region.
🎧 Die Geschichte von Bayerns berühmtem Problembären Bruno – erzählt mit dem Wissen von heute im neuen BR True Crime Podcast „Wild Crimes“