„Gwada“ ist ein Spitzname für die karibische Inselgruppe Guadeloupe. So heißt jetzt auch eine neue Blutgruppe, denn in einer Blutprobe einer Frau, die heute in Paris lebt, aber aus der Karibik stammt, wurde das entscheidende mutierte Gen entdeckt.
Ihr zu Ehren haben die französischen Forscher dieser extrem seltenen Blutgruppe den Namen „Gwada negativ“ gegeben. Die Patientin kann weder Blut spenden noch empfangen, denn weltweit ist sie die einzige bekannte Trägerin dieser Blutgruppe.
Technischer Fortschritt hilft der Blutforschung
Das Immunsystem reagiert auf Krankheitserreger oder eine falsche Blutgruppe mit Antikörpern. Sie erkennen fremde Oberflächenmerkmale, sogenannte Antigene, und lösen eine Abwehrreaktion aus.
Bereits 2010 hatten Forscher vom französischen Blutspendedienst EFS eher zufällig in einer Blutprobe ungewöhnliche Antikörper entdeckt. Das Blut war der Patientin standardmäßig zur Vorbereitung auf eine Operation abgenommen worden. Damals habe es aber keine Möglichkeit zu weiteren Forschung gegeben, so Medizinbiologe Thierry Peyrard, der an der Entdeckung beteiligt war, zur Nachrichtenagentur AFP.
Weitere Personen mit „Gwada negativ“ finden
Schon damals war klar, dass die Patientin eine Genvariante von ihren Eltern geerbt haben musste. Doch erst 2019 konnte mithilfe der Hochdurchsatz-DNA-Sequenzierung die entscheidende genetische Mutation aufgespürt werden. Die Internationale Gesellschaft für Bluttransfusion (ISBT) in Mailand hat „Gwada negativ“ Anfang Juni offiziell als neue Blutgruppe anerkannt. Das könnte Medizinern künftig dabei helfen, weitere Personen mit dieser extrem seltenen Variante des Blutsystems zu finden.
DNA-Analyse verbessert sich laufend
Dr. Christof Weinstock vom Institut für Klinische Transfusionsmedizin und Immungenetik in Ulm erwartet künftig mehr solcher Durchbrüche, denn die Technologien zur DNA-Analyse verbessern sich fortwährend. Beispielsweise kann das sogenannte „Next-Generation-Sequencing NGS“ Verfahren mittlerweile das komplette menschliches Genom innerhalb von 24 Stunden sequenzieren. „Dank der immer leistungsfähigeren genetischen Verfahren gelang es in den letzten Jahren, mehrere dieser Antikörper zu identifizieren,“ erklärt Weinstock.
Zuletzt gelang das 2024 britischen Blutforschern bei einer Blutprobe aus den 1970er-Jahren. Am International Blood Group Reference Laboratory konnten die Wissenschaftler vom NHS Blood and Transplant Service in Bristol das seltene Antigen ermitteln. Das entsprechende Blutgruppensystem ist nach diesem entscheidenden Eiweißmolekül „MAL“ benannt.
Nur wenige Blutgruppen sind medizinisch relevant
Von den mittlerweile 48 bekannten Blutgruppensystemen sind im Alltag aber die wenigsten relevant. Entscheidend ist das bekannte AB0-System mit den vier Blutgruppen A, B, AB und 0 und der Rhesusfaktor. Das ist ein Protein, das auf der Oberfläche der roten Blutkörperchen vorhanden ist. Wenn es fehlt, ist der Rhesusfaktor negativ.
Die Eigenschaften dieser Blutgruppen sind bei Blutspenden und Transfusionen entscheidend, denn bislang ist Blut nicht künstlich herstellbar. Dabei wächst die Zahl von chronisch kranken Menschen, die beispielsweise bei der Krebsbehandlung auf Blutkonserven angewiesen sind. Auch bei Operationen und für die Behandlung von Verletzten sind Blutspenden unersetzlich.
Einen Fortschritt erzielten 2022 kanadische Forscher im Bereich der Transplantationsmedizin: Mithilfe von Enzymen konnten sie die Blutgruppe einer Spenderlunge umpolen. Ihr Ziel ist es, langfristig Spenderorgane an die Blutgruppe der Empfänger anzupassen.