Wie sind die Ergebnisse der Studie zu verstehen?
Grundsätzlich lässt sich sagen, dass durch den dritten Teil der Studie (die klinische Studie) festgestellt werden konnte, dass Xylit-Konsum die Xylit-Konzentration im Blut erhöht und sich bestimmte Blutwerte ändern, die auf eine verstärkte Reaktivität der Thrombozyten hinweisen. Hier handelt es sich um eine Ursache-Wirkungs-Beziehung, einen tatsächlichen wissenschaftlichen Nachweis. Wer Xylit isst/trinkt, dessen Xylit-Spiegel im Blut steigt an und dessen Blutplättchen werden reaktiver. Allerdings war die Zahl der Probanden (zehn Teilnehmende) sehr gering.
Im Gegensatz dazu kann eine Beobachtungsstudie, wie im ersten Teil der Untersuchung, keine Ursache-Wirkungs-Beziehung herstellen. Die Studie kommt zwar zu dem Schluss, dass hohe Mengen an Xylit mit einem höheren relativen Risiko für schwere kardiovaskuläre Ereignisse verknüpft sind. Dies bedeutet aber nicht, dass Xylit diese Ereignisse verursacht (Korrelation/Assoziation ist keine Kausalität).
Zusätzlich sollte die Formulierung „dass das Risiko für schwerwiegende kardiale Ereignisse bei erhöhten Xylit-Werten im Blut um 57 Prozent erhöht war“ richtig verstanden werden. Denn hier wird nicht das absolute Risiko beschrieben. Das wäre die Wahrscheinlichkeit, dass ein bestimmtes Ereignis bei einem einzelnen Menschen in einer bestimmten Zeit eintritt. Ein absolutes Risiko von 57 Prozent würde bedeuten, dass von 100 Personen 57 betroffen sein werden. In der Studie wird jedoch das relative Risiko dargestellt – also wie hoch das Risiko für Menschen mit hohen Xylit-Spiegeln ist, ein schwerwiegendes kardinales Ereignis zu erleben im Vergleich zu Menschen mit niedrigen Xylit-Spiegeln.
Die Untersuchung des relativen Risikos wird oft genutzt, um herauszufinden, wie stark ein beobachteter Zusammenhang (z. B. zwischen Xylit und dem Risiko für Herzerkrankungen) ist. Hierfür ein prominentes Beispiel aus der Gesundheitsgeschichte ist Rauchen und Lungenkrebs. Ein relatives Risiko von 1 für Raucher und 1 für Nichtraucher würde heißen: Die Gefahr wäre für beide gleich. Alles über 1 bedeutet, die Gefahr ist für eine Gruppe höher. Tatsächlich liegt das relative Risiko von Rauchern, an Lungenkrebs zu erkranken, im Vergleich zu Nichtrauchern bei 20 zu 1. Das wertete man in den Tabakindustrie-Prozessen in den USA als sehr starken Zusammenhang.
Und wie ist es bei Xylit und kardinalen Ereignissen? Das relative Risiko für Menschen mit hohem Xylit-Blutspiegel, ein solches Ereignis zu erleben, liegt im Vergleich zu Menschen mit niedrigerem Xylit-Blutspiegel bei 1,57 zu 1.
Fazit: Xylit – ja oder nein?
Die Studie der Cleveland Clinic ist ein wichtiger Baustein, um mehr über die gesundheitlichen Effekte von Süßstoffen und Zuckerersatzstoffen herauszufinden. Schließlich hat Xylit in der EU und in den USA den sogenannten „GRAS“-Status („generally recognized as safe“ = allgemein als sicher anerkannt) und darf damit jedem Lebensmittel in unbegrenzter Menge zugesetzt werden. Die Ergebnisse konnten zeigen, dass bereits ein Glas Xylit-gesüßtes Getränk einen Effekt auf das Verhalten der Thrombozyten und somit auf die Blutgerinnung hat. Die Studie konnte jedoch keine Dosis-Wirkungs-Beziehung definieren, das heißt ab welcher Dosis gesundheitsgefährdende Xylit-Spiegel im Blut entstehen. Das machen auch die Studienautoren deutlich: Um langfristige gesundheitliche Effekte von Xylit zu beurteilen, sind weitere Studien erforderlich. An die Politik richten sie jedoch den Appell, die Gesetzgebung dahingehend zu verschärfen, dass die in Lebensmittel verwendeten Mengen von Süßstoffen, Zuckerersatzstoffen wie Xylit, ausgewiesen werden müssen.
Für Verbraucher bedeuten die Ergebnisse nicht, dass man seine Zahnpasta oder seine Kaugummis entsorgen sollte, wenn sie Xylit enthalten. Aber besonders Personen mit einem bereits erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen (zum Beispiel bei Übergewicht, Diabetes mellitus oder Rauchern) oder Menschen mit bereits bekannten Blutgerinnungsstörungen (zum Beispiel bei einer bekannten Faktor-V-Leiden-Mutation oder bei Einnahme von Gerinnungshemmern) sollten sich darüber im Klaren sein, dass der Verzehr von Produkten hohen Xylit-Konzentrationen das Risiko für Herzinfarkte und Schlaganfälle nochmals erhöhen kann.
Wer Xylit in seiner alltäglichen Ernährung zu sich nimmt, sollte mit anderen Süßungsmitteln abwechseln. Die schlechteste Süßungsalternative ist und bleibt allerdings Zucker: Viele Studien und Überblicksarbeiten (externer Link) haben gezeigt, dass erhöhter Zuckerkonsum mit vielen gesundheitlichen Schäden einhergeht. Deshalb empfiehlt die Weltgesundheitsorganisation, maximal 50 Gramm (etwa 12 Teelöffel) zugesetzten Zucker pro Tag zu sich zu nehmen – im Moment sind es in Deutschland laut offizieller Statistik (externer Link) fast 91 Gramm pro Tag.