„Muslime werden in den Freitagspredigten aufgerufen, ihren friedlichen Beitrag für die Gesellschaft zu leisten“, sagt Islamwissenschaftler Jörn Thielmann. Der Geschäftsführer des Forschungszentrums Islam und Recht in Europa an der Universität Erlangen hat mit seinem Team die Inhalte von Freitagspredigten in Moscheen und muslimischen Gebetsräumen in Deutschland untersucht – bis zurück ins Jahr 2005.
Freitagspredigten: Aufruf zu Integration und Frieden
Thielmanns Fazit: In den Moscheen werde nicht Hass und Radikalisierung gepredigt, sondern aufgerufen zu Integration und Frieden – und zwar verbunden mit konkreten Handlungsempfehlungen. „Während der Pandemie wurde etwa dazu aufgerufen, seinen Nachbarn zu helfen“, sagt Thielmann. Auch, so ein anderes Beispiel, sollten sich Muslime für den Umweltschutz einsetzen, indem sie Müll sammeln. Und sich für die Demokratie starkmachen – auch das war der Inhalt von Freitagspredigten, die die Wissenschaftler analysiert haben.
Online-Texte entsprachen den Predigten vor Ort
In Stichproben überprüften die Forschenden dabei auch, ob die ins Internet gestellten Predigttexte mit dem, was dann tatsächlich vor Ort in der Moschee gepredigt wurde, übereinstimmten. Laut Islamwissenschaftler Jörn Thielmann entsprachen die Botschaften der Imame den Texten im Netz, „das können wir mit sehr hoher Plausibilität sagen“, so der Leiter der Studie.
Die Predigten am Freitag sind für Muslime besonders wichtig, weil sich an diesem Wochentag traditionell viele Gläubige zum Mittagsgebet in den Moscheen versammeln. Im Anschluss daran hören sie die Predigt des Imam, also des Gemeindevorstehers. Die Imame tragen die Texte dann vor Ort in den Moscheen und Gebetsräumen vor, meist zuerst auf Türkisch und dann auch auf Deutsch.
Forschungsprojekt hatte zwei Drittel der Moscheen im Blick
Die Texte, die das Forscherteam untersucht hat, wurden jeweils zentral für die drei großen muslimischen Verbände geschrieben: für die Moscheen der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (DITIB), für die islamische Gemeinschaft Mili Görus, und für den Verband der Islamischen Kulturzentren (VIKZ).
Diese repräsentieren etwa 1.500 von rund 2.300 Moscheen und Gebetsräumen in Deutschland, also etwa zwei Drittel. „Wir haben uns auf den Mainstream der Muslime konzentriert“, sagt Islamwissenschaftler Jörn Thielmann. Dennoch sei ihm bewusst, dass es auch Moscheen in Deutschland gebe, in denen radikale Inhalte gepredigt würden. Das könne die Studie nicht ausschließen.
Verfassungsschutz beobachtet mehrere Moscheevereine
Die Studienergebnisse zu den Freitagspredigten will das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz nicht bewerten. Grundsätzlich gilt: Der Islam als Religion steht nicht unter staatlicher Beobachtung. Darauf weist das Landesamt auch in seinem Bericht 2024 hin. Dagegen werden islamistische Organisationen und Einzelpersonen mit verfassungsfeindlichen Bestrebungen ins Visier genommen. Auf BR-Anfrage teilt das Landesamt mit, dass in Bayern „eine größere zweistellige Anzahl an Moscheevereinen beobachtet wird“.
Studienmacher hofft auf Abbau von Vorurteilen
Islamwissenschaftler Thielmann sagt, die Predigt-Studie könne nicht für eine friedliche Ausrichtung aller Moscheen in Deutschland garantieren. Dennoch wünscht er sich, dass die Forschungsergebnisse dazu beitragen, das Vorurteil abzubauen, in den allermeisten Moscheen würden verfassungsfeindliche Inhalte gepredigt. Das sei nicht der Fall. Viele Muslime würden sich einsetzen für ein friedliches Zusammenleben. „Das Handeln vieler Muslime in Deutschland im Alltag verdient auch Anerkennung“, sagt Thielmann.