Ob Rauchverbot, Anschnallpflicht oder Tempolimit – anfangs lehnen viele Menschen neue politische Regeln ab. Als in Bayern 2007 das Rauchverbot beschlossen werden sollte, machte sich bei Manchen regelrechte Weltuntergangsstimmung breit. Jeder Dritte rauchte damals noch. Und viele fühlten sich durch das drohende Verbot eingeschränkt.
Auch die Wirte schlugen Alarm, sie befürchteten einen deutlichen Geschäftsverlust. Rauchen oder nicht rauchen – das sollte jeder für sich entscheiden dürfen. Alles solle so bleiben, wie es ist. Man hat’s nicht so gelassen, wie’s ist. Und schon ein paar Jahre später wurden eher die positiven Stimmen zum Rauchverbot laut. Kneipenbesucher freuen sich heute, dass sie nicht mehr in nach kaltem Rauch riechenden Kleidern nach Hause kommen. Und Suchtforscher beobachten die ersten positiven Effekte.
Mit der Zeit wächst die Akzeptanz der neuen Regeln
„Das Grandiose ist, wir haben viel weniger Raucher, an den Gymnasien nur noch neun Prozent, an den Hauptschulen etwas mehr – aber Rauchen ist gerade für die Jugendlichen unattraktiv geworden und das ist vor allem durch den Nichtraucherschutz passiert“, sagt Tobias Rüter von der Tabak-Ambulanz des LMU Klinikums München.
Erst Ablehnung, dann doch Akzeptanz der Regeln, dieses Phänomen ist häufig zu beobachten, das zeigt eine neue Studie der TU München (externer Link). Der Psychologe Armin Granulo hat darin europaweit Umfragedaten zu Gesetzen wie Rauchverboten, Anschnallpflicht oder Tempolimits analysiert. Und Experimente gemacht, die einen psychologischen Effekt belegen: Wir lehnen häufig neue Regeln ab, aber vor allem, bis sie in Kraft treten.
Vor der Einführung tendierten Menschen einfach eher dazu, sich auf den Veränderungsprozess an sich zu fokussieren, erklärt Granulo. „Und da liegt dann die Aufmerksamkeit häufig stärker auf dem, was ich persönlich verliere: Ich verliere Freiheit, ich verliere vielleicht Wahlmöglichkeiten oder auch einfach Komfort.“
Sehen wir die Vorteile, ändert sich die Einstellung
Psychologen haben einen Begriff für die Ablehnung von neuen Regeln: „Reaktanz“. Doch diese Haltung verändert sich häufig, nachdem das Gesetz eingeführt wurde. Denn dann wandert unser Aufmerksamkeitsfokus weg von unserer individuellen Einschränkung hin zu den Vorteilen, die ein neues Gesetz für das Allgemeinwohl hat. Wir sehen dann beispielsweise die gesundheitlichen Vorteile des Rauchverbots. Wie viel das Gesundheitssystem spart oder wie viele Personen länger leben.
Welchen Schluss sollten wir daraus ziehen? Auf keinen Fall sei das Ergebnis der Studie als Freibrief für eine „Kopf-durch-die-Wand“-Politik zu verstehen, sagt Psychologe Granulo. „Das ist uns immer sehr wichtig zu betonen: Politik, in der man alles über Regeln und Gesetze ändern will, das meinen wir nicht, das wird auch nicht funktionieren.“
Was jedoch seiner Meinung nach funktionieren könnte: Wenn die Politik neue Regeln einführen will, dann sollte schon zu Beginn mehr über den gesellschaftlichen Nutzen der Regeln gesprochen werden, zum Beispiel über die gesundheitlichen Vorteile des Rauchverbots. Oder über die Sicherheitsvorteile des Anschnallgebots oder des Tempolimits. Wer die Vorteile einer neuen Regelung klar vor Augen hat, ist möglicherweise auch eher gewillt, die Veränderungen mitzutragen.