Darum geht’s:
- Im April 2025 flog US-Sängerin Katy Perry mit fünf anderen Frauen für zehn Minuten und 22 Sekunden ins All. Sie flogen mit einer New-Shepard-Rakete von Jeff Bezos’ Firma Blue Origin in den Weltraum.
- Grünen-Politikerin Ricarda Lang behauptete, Perry habe mit dem Flug mehr CO₂ ausgestoßen als ein durchschnittlicher Mensch in seinem gesamten Leben.
- Blue Origin veröffentlicht keine Daten über den CO₂-Ausstoß der Wasserstoff-angetriebenen Rakete. Schätzungen von Wissenschaftlern liegen zwar unter der CO₂-Bilanz eines Durchschnittsmenschen — gehen aber auch weit auseinander.
Am 14. April 2025 schwebte Katy Perry für wenige Minuten über der Erde. Gemeinsam mit fünf weiteren Frauen stieg die bekannte Sängerin an Bord einer Raumkapsel, die von einer New-Shepard-Rakete des Amazon-Gründers Jeff Bezos ins All geschossen wurde. Nach rund zehn Minuten, davon etwa drei bis vier in Schwerelosigkeit, landete die Kapsel sicher wieder auf der Erde. Ein Flug, der weltweit durch die Medien ging.
Während die einen von einem historischen Moment für die Raumfahrt sprachen – es war der erste vollständig weiblich besetzte kommerzielle Raumflug – amüsierten sich andere über Perrys emotionalen Ausbruch nach dem Flug. Und eine ganz andere Debatte entbrannte auf X: über die Auswirkungen solcher kurzen Raumflüge auf die Umwelt. Ausgelöst wurde sie unter anderem von Grünen-Politikerin Ricarda Lang, die schrieb: „Katy Perry hat gestern mit einem Privatausflug ins All in 10 Minuten mehr CO₂-Emissionen verursacht als ein durchschnittlicher Mensch in seinem ganzen Leben.“
Doch stimmt das wirklich? Im Netz kursieren viele Schätzungen und Vergleiche. Der #Faktenfuchs hat mit Wissenschaftlern gesprochen und recherchiert, was wir über die Emissionen solcher Flüge wissen – und was nicht.
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Woher stammt Ricarda Langs Rechnung?
Die Aussage von Ricarda Lang geht vermutlich auf den World Inequality Report 2022 zurück. Das ist ein Bericht des World Inequality Labs an der Paris School of Economics, der Daten und Analysen zur weltweiten Einkommens- und Vermögensungleichheit liefert — inklusive der Ungleichheit bei CO₂-Emissionen. Nachdem Amazon-Gründer Jeff Bezos 2021 mit der Raumkapsel New Shepard von Blue Origin erstmals für etwa zehn Minuten ins All flog, stellte sich die Frage: Wie schädlich sind solche Kurztrips ins All für das Klima? Der World Inequality Report griff die Raumfahrt und den kurzen Flug als extremes Beispiel für ungleich verteilte Umweltbelastung auf.
Laut World Inequality Report von 2022 verursacht ein einzelner elfminütiger Raumflug 75 Tonnen CO₂ pro Passagier. Wie die Autoren auf diesen Wert kommen, ist unklar. Die Rechnung dahinter ist nicht dargestellt. Das entspricht laut dem Bericht der CO₂-Bilanz des ganzen Lebens eines Menschen aus den ärmsten 20 Prozent der Weltbevölkerung. Diese würden demnach weniger als eine Tonne CO₂ pro Jahr ausstoßen; ein durchschnittlicher Mensch in Deutschland verursacht laut Umweltbundesamt dagegen jährlich etwa 10,4 Tonnen CO₂. Bei einer Lebenserwartung von etwa 80 Jahren in Deutschland läge die CO₂-Bilanz eines Durchschnittsdeutschen also bei über 800 Tonnen CO₂.
Ob Ricarda Lang ihre Aussage konkret auf den World Inequality Report stützt, bleibt jedoch offen. Auf eine entsprechende Nachfrage reagierte sie bislang nicht. Und noch etwas bleibt offen: Ob der Report sich auf Wasserstoff-basierte Raketen wie die New Shepard bezieht oder ausschließlich kerosinbetriebene Antriebe berücksichtigt. Eine entsprechende Spezifizierung fehlt. Auch Autor Lucas Chancel hat eine Anfrage des #Faktenfuchs dazu bislang unbeantwortet gelassen.
Perrys Rakete flog mit Wasser- und Sauerstoff
Das ist jedoch ein entscheidender Unterschied der New-Shepard-Rakete zu anderen Raketen, auf den auch viele Nutzer in den Kommentaren zu Ricarda Langs X-Post hinweisen: Die New-Shepard-Rakete von Blue Origin werde gar nicht mit herkömmlichem Raketentreibstoff betrieben und stoße daher auch kein CO₂ aus. Tatsächlich unterscheidet sich das Antriebssystem der Rakete deutlich von dem anderer Trägerraketen. Die Falcon 9 von SpaceX zum Beispiel — die 2022 ein Drittel aller globalen Raketenstarts ausmachte — verbrennt Kerosin und stößt dabei große Mengen CO₂ und Ruß direkt in die obere Schicht der Atmosphäre aus. Blue Origin setzt dagegen auf flüssigen Wasserstoff und Sauerstoff.
Beim Flug selbst wird daher kein CO₂ freigesetzt. Bei der Verbrennung entsteht laut dem Unternehmen ausschließlich Wasserdampf. Ganz so einfach ist es aber nicht. Selbst wenn der Raketenflug an sich keine CO₂-Emissionen verursacht, entstehen diese an anderer Stelle: bei der Produktion des flüssigen Wasserstoffs, beim Bau der Rakete und bei deren Betrieb am Boden.
Laut Geophysikern und anderen Wissenschaftlern wird bei der sogenannten „sauberen Verbrennung“ zudem nicht nur harmloser Wasserdampf freigesetzt, das berichtete unter anderem die Atmosphärenforscherin Eloise Marais dem #Faktenfuchs. Demnach entstehen bei der enormen Hitze der Triebwerke auch andere Gase, die der Atmosphäre schaden können, etwa Stickoxide. Diese können ebenfalls klimaschädlich wirken, dazu später mehr.
Angaben von Blue Origin fehlen — nur Schätzungen zum CO₂-Verbrauch möglich
Das ernüchternde Fazit vorweg: Ohne konkrete Angaben von Blue Origin lässt sich nicht exakt berechnen, wie hoch die direkten und indirekten Emissionen eines solchen Flugs sind. Man bräuchte für diese Rechnung zum Beispiel die Menge des eingesetzten Wasserstoffs, dessen Herkunft und die Energiequelle bei Herstellung und Betrieb der Rakete. Das Raumfahrtunternehmen macht diese Angaben nicht öffentlich und reagierte auf eine entsprechende Anfrage des #Faktenfuchs nicht.
Die Schätzungen dazu variieren erheblich: Neben dem World Inequality Report kommen andere seriöse Quellen etwa zu deutlich niedrigeren Werten: Das Österreichische Weltraum Forum, eine private Forschungsinstitution, schätzt die Emissionen auf rund 38,5 Tonnen CO₂ pro Passagier – legt den Rechenweg jedoch nicht offen. Französische Journalisten des Umweltmediums Bonpote errechneten gemeinsam mit Forschern einen Mindestwert von 33 Tonnen CO₂ pro Flug und Passagier. Sie betonten jedoch, dass es sich dabei lediglich um eine Untergrenze handle.
CO₂-Emissionen entstehen bei der Herstellung des Wasserstoffs auf der Erde
Wie viel klimaschädliches CO₂ im Zusammenhang mit dem Flug entsteht, hängt maßgeblich vom Herstellungsverfahren des Wasserstoffs ab. Andreas Schuetz vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) schätzt, dass etwa 7,5 Tonnen flüssiger Wasserstoff in der New-Shepard-Rakete stecken dürften, die sie pro Flug verbraucht. Eine grobe Annäherung, basierend auf der Größe des Systems.
Präzise ist diese Zahl nicht, denn der genaue Aufbau der Rakete ist nicht öffentlich bekannt. „Man weiß nicht, ob beispielsweise eine platzsparende gemeinsame Tankwand zwischen dem Sauerstoff- und dem Wasserstofftank verwendet wird oder wo genau die Tanks enden und das Triebwerk beginnt“, so Schuetz.
Wie klimaschädlich diese 7,5 Tonnen Wasserstoff sind, hängt vom Herstellungsverfahren ab. Und welches Verfahren Blue Origin nutzt, ist bislang nicht bekannt. Laut dem Umweltbundesamt wird Wasserstoff jedoch meist aus Erdgas hergestellt, wobei große Mengen CO₂ freigesetzt werden. Bei diesem sogenannten „grauen Wasserstoff“ entstehen pro Tonne rund 5,5 Tonnen CO₂. Hochgerechnet auf 7,5 Tonnen wären das also etwa 41,25 Tonnen CO₂ – und das allein für die Herstellung des Treibstoffs. Würde hingegen „grüner Wasserstoff“ aus erneuerbaren Energien verwendet, entstünden bei der Herstellung keine CO₂-Emissionen.
Indirekte CO₂-Emissionen durch Herstellung und Betrieb der Rakete
Auch die Rakete selbst, das Startzentrum und die gesamte Logistik rund um den Flug verursachen CO₂. Dazu zählen etwa die Herstellung der Rakete, der Bau und Betrieb der Startanlage, der Transport von Personal und Material sowie die Produktion von Raumanzügen und anderen Ausrüstungen. Diese Faktoren lassen sich theoretisch in den CO₂-Fußabdruck eines Raumflugs einrechnen. In der Praxis veröffentlichen die Raumflugunternehmen diese Angaben jedoch nicht, wie auch Andreas Schuetz vom DLR dem #Faktenfuchs bestätigte.
Eine Schätzung liefert das Team des World Inequality Reports. Co-Autor Lucas Chancel geht davon aus, dass „mindestens 50 Tonnen CO₂ bereits ausgestoßen wurden, bevor ein Raumschiff überhaupt die Startrampe verlässt“, wie der Ökonom gegenüber der Nachrichtenagentur AP erklärte. Die Rechnung dahinter ist im Report nicht erklärt, auf eine Nachfrage des #Faktenfuchs antwortete Chancel nicht.