Die Zerstörung tropischer Urwälder hat im vergangenen Jahr den höchsten Stand seit Beginn der Erhebung entsprechender Daten im Jahr 2002 erreicht. Wie die Forschungsorganisation „World Resources Institute“ (WRI) am Mittwoch mitteilte, wurden 2024 insgesamt 6,7 Millionen Hektar Tropen-Urwald zerstört; das ist eine Fläche von der Größe Panamas.
WRI ruft „Alarmstufe rot“ aus
„Dieses Ausmaß der Zerstörung tropischer Wälder ist vollkommen beispiellos in mehr als 20 Jahren der Datenerhebung“, fasst WRI-Co.-Direktorin Elizabeth Goldman die Studie zusammen. „Das ist weltweit Alarmstufe rot.“
Der WRI-Bericht konzentriert sich auf Tropenwälder, die am stärksten bedroht und besonders wichtig für die Artenvielfalt und die Speicherung des Treibhausgases CO₂ sind. Das Institut wertete zusammen mit der University of Maryland aktuelle Daten der Plattform „Global Forest Watch“ aus. Demzufolge wurde vergangenes Jahr minütlich eine Fläche von der Größe von 18 Fußballfeldern zerstört – im Vergleich zu 2023 ein Anstieg um 80 Prozent.
Das Hauptproblem: Waldbrände
Rund die Hälfte der Zerstörungen geht der Studie zufolge auf Brände zurück. Sie sind damit erstmals ein wichtigerer Faktor für die Tropenwaldzerstörung als die Landwirtschaft.
Viele dieser Feuer in Tropenwäldern sind vom Menschen verursacht, wobei sich die Motive der Waldzerstörung wandeln. So bereiteten laut WRI mittlerweile der Bergbau und die Nachfrage nach bestimmten Metallen verstärkt Probleme.
Klimawandel verstärkt sich selbst
Überdies trägt der von Menschen gemachte Klimawandel zu häufigeren und intensiveren Waldbränden bei. Verursacht durch die weiterhin massive Nutzung fossiler Energieträger und das Klimaphänomen El Niño, war 2024 weltweit das heißeste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Hitze und Dürre begünstigen die Entstehung und Ausbreitung von Waldbränden, die dann wiederum in den Bäumen gespeichertes CO₂ freisetzen.
Allein durch die Waldbrände des vergangenen Jahres gelangten nach Erkenntnissen der Experten 3,1 Milliarden Tonnen CO₂ in die Atmosphäre – das ist etwas mehr als die jährlichen Emissionen des Energiesektors von Indien.
Rekordwerte in Brasilien und Bolivien
Brasilien registrierte vergangenes Jahr die Zerstörung von 2,8 Millionen Hektar Urwald, zwei Drittel davon durch Brände. Diese würden oft gelegt, um Platz für den Anbau von Soja oder für Viehweiden zu machen, erläuterte das WRI. 2023 hatte Brasilien noch relativ gute Daten zur Waldentwicklung vorlegen können, weil Staatschef Luiz Inácio Lula da Silva im ersten Jahr seiner neuen Amtszeit Schutzmaßnahmen verfügte. Besonders stark von den Waldzerstörungen betroffen war das brasilianische Amazonas-Gebiet.
Den zweiten Platz auf der Rangliste der weltweiten Tropenwaldzerstörung belegt laut WRI Brasiliens Nachbarland Bolivien, wo vergangenes Jahr dreimal so viel Wald vernichtet worden sei wie im Vorjahr. Ein Großteil der Brände sei gelegt worden, um Platz für „Bauernhöfe von industriellem Ausmaß“ zu schaffen, heißt es in der Studie. Auch im Kongo und in der Demokratischen Republik Kongo hat sich die Lage der Studie zufolge 2024 deutlich verschlechtert.
Wo es schlimmer wird – und wo besser
Immerhin: in den südostasiatischen Ländern Indonesien und Malaysia verbesserte sich der Schutz der Tropenwälder.
Die Verdrängung von Tropenwäldern ist historisch gesehen insbesondere auf vier Produkte zurückzuführen: Palmöl, Soja, Rindfleisch und Holz. Während es in manchen Bereichen wie dem Palmöl Verbesserungen in puncto Walderhalt gab, treten mit der erhöhten Nachfrage nach anderen Produkten wie Avocados aus Mexiko oder dem vermehrten Anbau von Kakaobohnen und Kaffeebohnen neue Probleme auf.
Mit Material von AFP