Die auf Kartellrecht spezialisierte Zivilkammer des Landgerichts München I hat gleich mehrere Tage für eine gemeinsame Beweisaufnahme wegen des „Lkw-Kartells“ bestimmt. Bis Freitag haben Kläger und Beklagte Gelegenheit, vom Gericht bestellte Gutachter zu befragen. Es wird damit gerechnet, dass davon ausführlich Gebrauch gemacht.
Es wird mit großem Andrang gerechnet
Die zuständige Zivilkammer geht davon aus, dass mehr als 100 „prozessbeteiligte“ Personen erscheinen werden, überwiegend Anwälte. Deshalb hat sie das Verfahren aus Platzgründen auch in die Wappenhalle nach München-Riem verlegt.
Allerdings geht es auch um einiges. Seit vielen Jahren versuchen Kunden von DAF, Daimler, Iveco, MAN, Volvo/Renault und Scania Schadensersatz von diesen Nutzfahrzeugherstellern zu bekommen. Es geht um Zehntausende Lkw. Der Streitwert aller beteiligter Verfahren betrage für den deutschen Markt rund 500 Millionen Euro, heißt es beim Gericht. Es geht hier nur um hierzulande verkaufte Lastwagen, aus 36 Verfahren des Komplexes „Lkw-Kartell“. Insgesamt gab und gibt es noch zahlreiche andere Prozesse im In- und Ausland. Bei einigen haben sich beide Seiten bereits auf Vergleiche geeinigt.
Gericht will Licht ins Dunkel bringen
Zwei Wettbewerbsexperten vom Münchner Ifo-Institut wurden Ende 2019 vom Gericht damit beauftragt, in einem Gutachten zu klären, ob das Lkw-Kartell zu höheren Preisen auf dem deutschen Lkw-Markt geführt hat und – wenn ja – wie hoch der Preisaufschlag gewesen ist.
Die Nutzfahrzeughersteller weisen seit Jahren Schadensersatzforderungen zurück. Sie vertreten die Auffassung, dass den Kunden durch das Kartell gar kein Schaden entstanden ist. Dem widersprechen die Kläger. Gegen das Gutachten und ein anschließendes Ergänzungsgutachten wurden dem Gericht nach eine Vielzahl an Einwendungen eingereicht. Und die sollten nun umfassend erörtert werden.
Lkw-Kartell: Hohe EU-Bußgelder wegen verbotener Absprachen
Die EU-Kommission hatte 2016 und 2017 festgestellt, dass Lkw-Hersteller zwischen 1997 und 2011 verbotenen Kartellabsprachen getroffen hatten. Es ging um Brutto-Listenpreise und darum, die Einführung von klimaschützenden Technologien zu verzögern. Es wurden Rekordbußgelder in Höhe von insgesamt 3,8 Milliarden Euro verhängt.
MAN entging als Kronzeuge im Lkw-Kartell zwar einer Geldbuße, allerdings befreit das die Münchner nicht von Schadensersatzforderungen von Kunden. Dazu gehört auch die Deutsche Bahn. Sie hat mit der Bundeswehr und anderen Unternehmen wie der Spedition Kühne und Nagel ihre Ansprüche gebündelt.
Kläger hoffen auf Vergleiche
Der Geschäftsführer der Bahntochter DB Competition Claims GmbH, Tilman Makatsch, hofft, dass die jetzige Anhörung eine neue Dynamik für außergerichtliche Vergleichsgespräche entfacht, wie er dem BR sagte. Die EU-Kommission habe rechtskräftig festgestellt, dass alle großen Lkw-Hersteller an illegalen Kartellabsprachen beteiligt waren. Dutzenden Unternehmen seien erhebliche Schäden entstanden, darunter der Deutschen Bahn und der Bundeswehr – und damit den deutschen Steuerzahlern.
Auch der Leiter der Rechtsabteilung des Bundesverbands Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung, Guido Belger, erwartet, dass die Lkw-Hersteller für die von ihnen verursachten Schäden die Verantwortung übernehmen. Die Branche bewege sich in herausfordernden Zeiten und sei auf eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Herstellern angewiesen, dafür sei die Übernahme von Verantwortung für zurückliegende Kartellverstöße unumgänglich.
Daimler will weiter kämpfen
So richtig „vergleichsbereit“ zeigt man sich bei Daimler Truck als einer der Beklagten nicht. Das Unternehmen erklärte auf Anfrage, dass Kläger weiterhin im Einzelnen darlegen müssten, dass ihnen tatsächlich ein konkreter Schaden entstanden sei. Grundsätzlich werde man sich weiter entschieden gegen unberechtigte Ansprüche zur Wehr setzen. Bei MAN wollte man sich überhaupt nicht äußern, mit Verweis auf das laufende Verfahren.
Forderungen gegenüber Scania spielen bei den heute beginnenden Ausführungen übrigens keine Rolle. Sie waren auch nicht Gegenstand der bisherigen Gutachten und mündlichen Verhandlung. Der schwedische Hersteller, der wie MAN auch zum VW-Konzern gehört, hatte bis zuletzt gegen eine Strafe gekämpft – und verloren. Scania scheiterte Anfang 2024 vor dem Europäischen Gerichtshof. Ein von der EU-Kommission schon 2017 verhängtes Bußgeld in Höhe von rund 880 Millionen Euro bleibt damit zwar bestehen, allerdings blieb Scania damit bei diesen vorher schon begonnenen Klagen außen vor.

