Bezahlbarer Wohnraum ist insbesondere in den Ballungsräumen Mangelware. Laut einer Studie des Ifo-Instituts kostete 2013 eine neu angebotene Wohnung etwa in München durchschnittlich 13,44 Euro pro Quadratmeter, 2025 sind es 22,28 Euro (externer Link).
Das weiß auch die Politik und hat Anfang Oktober den sogenannten „Bauturbo“ verabschiedet. Ziel des Gesetzes: Wohnraum schneller zu schaffen, indem Genehmigungsverfahren verkürzt werden. Aber liegt der Schlüssel zu mehr Wohnraum allein darin, mehr und schneller zu bauen? Architekturprofessor Andreas Hild von der TU München ist da eher zurückhaltend. Neubau sei zwar wichtig, könne aber nicht das Allheilmittel sein. Ein viel größeres Potenzial sieht er im Bestand. Dort gebe es in ausreichendem Maße Möglichkeiten, „Wohnungen zu erstellen“.
Rund 16 Millionen Ein- und Zweifamilienhäuser in Deutschland
Dabei hat er hauptsächlich die Ein- und Zweifamilienhäuser im Blick. Rund 16 Millionen gibt es davon in Deutschland. „Jeder von uns kennt einen Opa, eine Oma, eine Schwiegermutter, die alleine auf 150 Quadratmetern wohnt“, sagt Hild, Inhaber des Lehrstuhls für Entwerfen, Umbau und Denkmalpflege. „Würde man alleine bei 10 Prozent aus einer Wohneinheit zwei machen, wären das 1,6 Millionen Wohneinheiten. Das ist viermal das, wie uns Frau Geywitz versprochen hat.“
Zur Erinnerung: 400.000 Wohnungen pro Jahr wollte die ehemalige Bauministerin pro Jahr bauen. Am Ende wurden es 2024 aber nur rund 250.000. Diese Lücke zwischen Erwartung und Realität gilt es zu schließen. Dabei liegen die Vorteile beim Umbau von Einfamilienhäusern auf der Hand, sagt Hild. „Man müsste keine neue Fläche versiegeln, man müsste wesentlich weniger umbauen oder neu bauen. Und die Infrastruktur ist dort meistens auch vorhanden.“
Verkleinerung der Wohnfläche
Stellt sich jedoch die Frage, ob sich überhaupt so viele Eigenheimbesitzer finden, die überhaupt bereit wären, Wohnfläche abzugeben? Hild glaubt, ja. Denn, wenn man wisse, „dass sich 20 Prozent der Besitzer von ihrer Immobilie überfordert fühlen, dann könnte das eine Win-Win-Situation sein“. Ein Einfamilienhaus muss Instand gehalten, der Garten gepflegt werden. Insbesondere älteren Menschen könne das oft zu viel werden.
Zudem sind viele Häuser in die Jahre gekommen. Und wenn dann noch Modernisierungsmaßnahmen wie eine neue Heizung anstehen, sind diese manchen auch zu teuer. Würde man dann den Umbau entsprechend fördern, könnte es für viele Hausbesitzer durchaus interessant sein, auf Wohnfläche zu verzichten und eine weitere Wohneinheit im Haus zu errichten. Dabei gehe es nicht darum, „jemandem etwas wegzunehmen“, sondern „solche Immobilen zukunftsfähig zu machen“, betont Hild.
Abbruch nur als letztes Mittel der Wahl
Für wenig zukunftsfähig hält Architekturprofessur Hild dagegen den Neubau von Einfamilienhäusern. Aber die sind weiterhin beliebt. Hier stieg die Zahl der Baugenehmigungen seit Jahresbeginn um knapp 15 Prozent. Eine Fehlentwicklung, findet Hild. „Das Neuausweisen von Einfamilien-Hausgebieten muss aufhören.“ Denn: „Das Einfamilienhaus können Sie nicht gesund rechnen, wenn Sie Klimawandel, Flächenversiegelung, Abbruch und Energieverbrauch seriös betrachten“, sagt der Experte. Was jedoch nicht heiße, dass Einfamilienhäuser, die es im Bestand gibt, „nicht bearbeitet und verarbeitet“ werden sollten – sprich: umgebaut.
Insgesamt gelte: Häuser abzureißen und neu zu bauen, könne immer nur das letzte Mittel der Wahl bleiben, sagt Hild. Etwa, wenn die Bausubstanz sehr schlecht sei. Denn Abbruch und Neubau sind wenig klimaverträglich. Der Bau und die Nutzung von Gebäuden sind für etwa 30 Prozent der Emissionen in Deutschland verantwortlich. Bau- und Abbruchabfälle alleine machten hierzulande über die Hälfte des Abfallaufkommens aus. So müsste bei sämtlichen Baumaßnahmen „die Umnutzung, der Umbau, die Erweiterung, die Aufstockung, die Vergrößerung von bestehenden Substanzen“ immer im Vordergrund stehen, sagt Hild.

