„Einen unverzeihlichen Akt des Vandalismus“ beklagt am 28. März dieses Jahres der Landesdenkmalrat, der die Bayerische Landesregierung in Fragen des Denkmalschutzes berät. Diesen Beschluss fasste das Gremium nach einer Ortsbegehung im Deutschen Museum, bei der es um die Sanierungsmaßnahmen im Ehrensaal ging, eines üppig mit Bauschmuck und Büsten ausgestatteten Veranstaltungsraumes (externer Link). Jetzt soll das Thema im Landtagsausschuss für Wissenschaft und Kunst verhandelt werden.
Eine „komplette Zerstörung“ eines Denkmals?
Im Zuge der Generalsanierung des Deutschen Museums soll auch der Ehrensaal renoviert und modernisiert werden. Dabei, so die Entwürfe des Münchner Architekturbüros CL MAP, sollen u. a. Holz und Glas die ursprüngliche, teilweise schon abgenommene Stoffbespannung ersetzen, sowie die Büsten von Wissenschaftlern niedriger gehängt werden. Für den Landesdenkmalrat stellt das die „komplette Zerstörung des Ehrensaals“ dar. Der Vorwurf: Hier werde ein Denkmal in einem staatlichen Museum mutwillig zerstört.
Befremdlich ist für die Kunsthistorikerin Claudia Büttner, die im Auftrag des Bundesbauministeriums über Kunst am Bau forscht, die Begründung des Landesdenkmalrats für die Schutzwürdigkeit des Baus. Er stelle „ein bedeutendes Zeugnis für den Wiederaufbau“ dar. Der Vorsitzende des Ausschusses, Robert Brannekämper, sagte gegenüber der SZ (externer Link): „Er hat den Geist und den Nimbus der neuen Bundesrepublik verströmt.“ Für Büttner ist das Gegenteil der Fall: „Für die Ausschmückung wurden mit Hermann Kaspar und Joseph Wackerle zwei Künstler beauftragt, die ihre größten Erfolge in der NS-Zeit gefeiert hatten. Was in München jeder wissen konnte. Deren Beauftragung war also alles andere als ein Aufbruchssignal, sondern ein Schritt zurück. Gerade in Bayern ist zu beobachten, dass es eine nahezu nahtlose Weiterbeschäftigung von prominenten NS-Künstlern in der Nachkriegszeit gab.“
Tradition der Traditionslosigkeit?
Der rücksichtslose Umgang mit der historischen Substanz hat allerdings Tradition im Deutschen Museum. Denn schon direkt nach dem Krieg gab es massive Eingriffe. Im Vorfeld der Einweihung 1925 hatte August Dietz ein Deckengemälde für den Ehrensaal geschaffen. Das wurde zwar während des Zweiten Weltkriegs beschädigt, aber nicht zerstört. Statt es zu restaurieren, wurde Hermann Kaspar mit einem neuen Fresko beauftragt, obwohl er wegen seiner NS-Mitgliedschaft nach dem Krieg kurzzeitig seine Professur an der Münchner Kunstakademie verloren hatte. Worauf Büttner hinweist: Schon 1972, nachdem es in München und Nürnberg Aktionen gegen Hermann Kaspar gegeben hatte, ließ das Deutsche Museum das Wandgemälde „Große Naturforscher der Antike, des Mittelalters und der Renaissance“, mit weißer Farbe „reversibel“ übermalen. 1955 hatte es Kaspar im zentralen Treppenhaus gemalt.
In den Augen der Kunsthistorikerin Büttner ist der ursprüngliche Zustand des Saales und seiner Umgebung deswegen längst verloren. Ihn in einen vermeintlichen „Nachkriegszustand weitgehend wiederherzustellen“, wie es das Landesdenkmalamt fordert, blende die zahlreichen Eingriffe aus.
Zerstört trotz „gutem Erhaltungszustand“
Sowohl der Zeitpunkt als auch die inhaltliche Begründung werfen allerdings Fragen auf. Schon im Mai 2023 berichtete der BR über die drohende Zerstörung des Deckengemäldes von Hermann Kaspar im Heldensaal aus dem Jahr 1953 – entgegen einem Gutachten des Landesamts für Denkschmalpflege von 1996, das dem BR vorliegt. Dort hieß es: „Das nicht asbestbelastete, in gutem Erhaltungszustand befindliche Fresko ist in jedem Falle unverändert zu belassen“. Aber 2024 erhielt das Deutsche Museum die Genehmigung, das Fresko abnehmen zu dürfen, weil die Erhaltungskosten im „sechsstelligen Bereich“ zu hoch seien.
Ebenso für die gesamte Umgestaltung, wie das Deutsche Museum in einer Stellungnahme an den BR schreibt: „Das Deutsche Museum [habe sich] bei den Planungen im Rahmen der Modernisierung stets eng mit den zuständigen Denkmalbehörden abgestimmt. Dementsprechend […] liegen natürlich alle denkmalschutzrechtlich notwendigen Genehmigungen und damit auch eine gültige Baugenehmigung vor.“ Wusste der Landesdenkmalrat nichts davon? Die Abstimmung zwischen den verschiedenen Instanzen, die sich mit dem Denkmalschutz in Bayern befassen, erscheint zumindest mangelhaft.

