Basis in Antigua und weit verzweigtes Firmennetzwerk
Auf Antigua bekommt er die Staatsbürgerschaft und knüpft enge Kontakte zum damaligen Finanzminister Errol Cort. 2012 klagen US-Behörden Ayre wegen illegalen Glücksspiels und Geldwäsche an. Fünf Jahre später macht er einen Deal: Ayre bekennt sich in einem Punkt schuldig und zahlt eine Geldstrafe in Höhe von 500.000 US-Dollar. 66 Millionen US-Dollar von seiner Gambling-Plattform Bodog bleiben eingezogen.
Heute gilt Calvin Ayre auf Antigua als der größte private Investor. Für 40 Millionen Euro hat er dort ein Business-Center gebaut und Geld in Luxus-Urlaubsresorts auf der sonnigen Karibikinsel investiert. Touristen können Antigua mit den Hubschraubern von „Calvinair“ erkunden. Seine geschäftlichen Interessen und sein Firmennetzwerk gehen jedoch weit über Antigua hinaus. Auf einer seiner Webseiten heißt es: „Mit Niederlassungen in der Schweiz, Antigua, den Philippinen und Großbritannien verfügt die Ayre Group über Investitionen und Beteiligungen auf der ganzen Welt, darunter in den Bereichen Verlagswesen, Immobilien, neue Technologien und das Blockchain-Ökosystem für Unternehmen.“
Tatsächlich steckt Calvin Ayre seit Jahren viel Geld in die Blockchain-Technologie, das Fundament aller Bitcoin-Währungen.
Calvin Ayre und der „größte Betrug der Geschichte“
Einer der wichtigsten Mitarbeiter von Calvin Ayre ist zeitweise Christen Ager-Hanssen. Im Oktober 2022 tritt der Unternehmer und Investor aus Norwegen seinen Job als CEO des Technologie-Unternehmens nChain an: „Ich wurde vom Eigentümer Calvin Ayre als Group-CEO bei nChain eingestellt, das damals als eines der innovativsten Unternehmen der Welt galt“, erzählt Christen Ager-Hanssen im Interview mit BR Recherche. Im August 2023 investiert Calvin Ayre angeblich 570 Millionen US-Dollar in die Firma nChain. Wenig später wirft Ager-Hanssen seinen Job hin, weil er den „größten Betrug der Geschichte“ aufgedeckt habe, wie er heute sagt.
In einem Whistleblower-Report („Fairway Brief“) beschrieb Ager-Hanssen eine Verschwörung unter dem Dach von nChain: Demnach habe Ayre den australischen Computerexperten Craig Wright, damals Chefwissenschaftler von nChain, massiv dabei unterstützt, sich in der Öffentlichkeit als Satoshi Nakamoto auszugeben. Tatsächlich behauptet Craig Wright seit 2016 öffentlich, er sei Satoshi Nakamoto, der Erfinder der Digitalwährung Bitcoin sowie der Blockchain-Technologie. Satoshi Nakamoto, dem 1,1 Millionen Bitcoins im Wert von derzeit über 80 Milliarden Euro gehören, ist seit etwa 15 Jahren spurlos verschwunden.
Der Plan von Calvin Ayre und Craig Wright sei gewesen, so Ager-Hanssen, eine eigene Bitcoin-Version durchzusetzen und Lizenzzahlungen von anderen Bitcoin-Währungen einzutreiben. Das hätte Ayre und den australischen IT-Spezialisten Craig Wright wohl zu den reichsten Menschen der Welt gemacht. Allerdings stellte ein Londoner Gericht im vergangenen Jahr eindeutig fest, dass Wrights Erzählung frei erfunden war.
Calvin Ayre – der Mann hinter Wirecard
Während seiner Zeit als CEO von nChain hatte Christen Ager-Hanssen engen Kontakt zu Calvin Ayre: „Zu dieser Zeit waren wir Freunde. Ich habe mehr oder weniger jeden Tag mit ihm gesprochen“, erzählt der Insider. Dabei hat er auch tiefe Einblicke in die Geldflüsse erhalten. Daher ist er überzeugt: Der Bitcoin-Investor hat jahrelang Einnahmen aus Glücksspielgeschäften über Konten bei der Wirecard-Bank zu Firmen in seinem Netzwerk geschleust: „Er ist der Mann hinter Wirecard. Der große Fisch“, sagt Christen Ager-Hanssen.

