Zielscheibe von Hetzkampagnen
Es ist eine wohltuende Stimme der Mäßigung und Vernunft, die sich hier artikuliert, und der man im Nahost-Konflikt mehr Gehör wünschen würde. Allerdings kommt Skepsis gegenüber der Politik der israelischen Regierung in Mishanis Heimat nicht bei allen gut an. In seinem Tagebuch berichtet er von einer „Jagd auf Intellektuelle“, die „das Massaker angeblich nicht verurteilt oder behauptet haben, es müsse in einem Kontext gesehen werden“. So wie er sich positioniert, zählt Mishani selbst zu den potentiellen Zielscheiben solcher Hetzkampagnen.
„Fenster ohne Aussicht“ gibt auf eindringliche Weise Einblicke in eine Gesellschaft, durch die ein Riss geht, der bis zu Diskussionen mit der Teenager-Tochter reicht, die ihm gegenüber regierungskonform argumentiert.
„Wir bringen Gaza über uns zum Einsturz“
Mishani sucht Zuflucht zur Literatur, fragt sich aber auch, ob er jemals wieder dazu imstande sein wird, einen Krimi zu Papier zu bringen. Er, der schreibend menschliche Gewalt verstehen lernen wollte, notiert nun: „Was habe ich denn gewusst über das Böse und die Gewalt?“ Insofern scheint ihm sein ganzes literarisches Schreiben sinnlos, ja Literatur ganz allgemein. Dennoch liest er weiter. Über den Trojanischen Krieg oder auch in der Bibel. Und findet dabei immer wieder Erkenntnisstiftendes.
Zum Beispiel die Geschichte von Simson, der in auswegloser Situation beschließt, seine Feinde mit in den Untergang zu reißen, wozu er mit den Worten „Meine Seele sterbe mit den Philistern“ ein Haus zum Einsturz bringt. Mishani merkt dazu an: „Ist das nicht exakt, was wir gerade tun? Wir bringen Gaza über uns zum Einsturz, stürzen gemeinsam mit Gaza ein? Und ist es nicht im Grunde genommen, was auch sie tun – die Palästinenser versuchen, unsere Häuser zum Einsturz zu bringen, und brechen gemeinsam mit uns unter den Trümmern zusammen?“
So hilft ihm Lektüre ein ums andere Mal, die Lage zu durchschauen. Nach und nach revidiert Mishani sein Urteil, Literatur sei sinnlos und stellt im Gegenteil fest: „Der Geschmack der Literatur ist jetzt stärker denn je.“